Die Lady mit der Lanze
sich zu ihrem Gastgeber um. Seit über zwei Generationen waren die Lords der Marken keine Feinde mehr, doch erfüllte es die Waliser mit Bitterkeit, dass die Normannen Cymru unter sich praktisch aufgeteilt hatten. De la Rochelles Familie hatte Anspruch auf diesen Besitz erhoben, als William von der Normandie Cymru unterwarf, wie er sich auch das Sachsenland im Osten, wo er William der Eroberer genannt wurde, untertan gemacht hatte.
»Nichts Ungewöhnliches«, antwortete er. »Warum?«
»Gerüchte wollen wissen, König Henry hätte in Irland gegen Strongbow gekämpft, ihn aber nicht getötet.« De la Rochelles Miene verriet Nachdenklichkeit.
Hatte der Lord der Mark gehofft, Richard, Earl of Clare - ein tapferer Mann, der sich den Namen Strongbow erworben hatte - würde von König Henry abfallen? Das hätte zu weiterem Blutvergießen zwischen dem König und seinen normannischen Lehensmännern geführt, während die Fürsten versucht hätten, sich von Irland möglichst viel anzueignen, ehe dort wieder Gesetz und Recht Geltung hatten. Hatte de la Rochelle gehofft, die Besitzungen seiner Familie in Aquitanien und Cymru auch noch um Land in Irland vergrößern zu können?
»König Henry ist gerecht, doch hat er mit jenen, die Ungehorsam zeigen, wenig Geduld«, sagte Tarran und setzte den Humpen an.
»Oder mit Drohungen.«
»Drohungen?«
De la Rochelle senkte die Stimme. »Ihr seid Waliser. Ihr kennt die Geschichte von Llech-lafar .«
Tarran starrte ihn verwundert an. »Das Ammenmärchen von Merlins sprechendem Stein?«
»Es heißt, dass ein fremder König, der Wales unterwirft und nach Irland zieht, um jemanden zu bekämpfen, der Blut an den Händen hat, bei seiner Rückkehr nach Wales auf den Stein treten und sterben wird. Er besiegte Strongbow, der das Blut der gesamten irischen Armee an seinen Händen hat. Jetzt kehrt König Henry zurück. Tritt er auf Llech-lafar, könnte es für unseren König den Tod bedeuten.«
Für deinen König, wollte Tarran sagen, unterließ es jedoch. Die Waliser hatten dem normannischen König Gefolgschaft gelobt.
»Ein Ammenmärchen«, wiederholte er. »Steckte auch nur ein Körnchen Wahrheit in dieser alten Legende, wären die Normannen schon längst aus Cymru vertrieben worden.«
De la Rochelle schlug ihm lachend auf die Schulter. »Gut gesagt. Kommt und esst etwas zum Ale.«
»Sobald ich nach meinem Gefährten gesehen habe«, gab er zurück.
»Difyr wird dafür sorgen, dass es ihm an nichts fehlt.« Wieder lachte der Lord verhalten auf. »Sie hat viele Talente, die einen Mann seine Wunden vergessen lassen. Soll sie sich seiner annehmen, während wir uns an amüsanten alten Geschichten erfreuen.«
Tarran ließ sich mit der Antwort Zeit. Fehlte ihm auch der Glaube an die aus Bergnebeln aufgestiegenen Mythen, so hatte er doch nicht die Absicht, mit einem Lord der Grenzmark darüber zu scherzen.
»Uns bleibt die ganze Nacht, um Euer herrliches Ale zu genießen.« Tarran nahm einen Schluck. »Und Lügengarn zu spinnen.«
»Die ganze Nacht? Wollt Ihr nicht mit Eurer schönen Frau zusammen sein?«
Fast hätte er ausgerufen »Ja!«, dann aber wurde ihm klar, dass de la Rochelle Elspeth Braybrooke meinen musste. Sie war eine Schönheit, doch war er sich nicht sicher, ob sie nicht ganz richtig im Kopf oder nur naiv war.
Als er einen lauten Schrei hörte, blickte er über seine Schulter und sah, dass Kei und sein Vetter Gryn je einen Arm Elspeths festhielten. Und sie von Iau wegzerrten. Glaubten sie etwa, sie würde in de la Rochelles Halle versuchen, ihm etwas anzutun? Er sah auch, wie wütend sie über diese unsanfte Behandlung war.
Er wollte den beiden zurufen, sie loszulassen, doch der Lord lachte. »Eure Freunde gehen ja sehr freundlich mit Eurer Holden um, ap Llyr. Eure walisischen Frauen sollen sehr bereitwillig viele Männer mit ihren Reizen beglücken.«
Er ignorierte die Beleidigung. Sie war sinnlos. Elspeth war so normannisch wie de la Rochelle.
Ehe Tarran seinen Männern befehlen konnte, Elspeth loszulassen, stolperte Gryn gegen Kei, und beide stießen gegen eine Bank. Diese schwankte, ein Ende schnellte hoch. Kei sprang beiseite, Gryn aber war nicht schnell genug. Die Bank traf ihn in der Leibesmitte, so dass er gegen Elsbeth taumelte. Sie wich aus, und er schlug gegen die Wand, ehe er zu Boden glitt. Sie warf ihm und Kei einen angewiderten Blick zu und ging zurück zu Iau, um den man sich kümmerte.
»Erstaunlich, dieses Frauenzimmer«, murmelte de la Rochelle.
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