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Die Lady mit der Lanze

Die Lady mit der Lanze

Titel: Die Lady mit der Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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nasser Wolle stieg ihr bei jedem Atemzug in die Nase.
    »Unser Ziel ist Tyddewi«, sagte Vala. »Jene Stadt, die ihr Normannen St. David nennt. Dort lebt meine Enkelin, die mich bei sich aufnimmt, da ich zu alt bin, um jemandem nütze zu sein.« Sie sah lächelnd zu Tarran und seinen Männern, die den Hof überquerten. »Er ist so großzügig, mich dorthin zu begleiten.«
    »Gehört auch er zu Eurer Familie?« Elspeth konnte nichts Außergewöhnliches im inneren Hof entdecken. Niedrige Holzbauten umgaben einen an der rückwärtigen Mauer aufragenden, runden Turm. Durch eine schmale Toröffnung zur Linken sah sie den grauen Finger eines Wasserlaufs, der die Rückseite der Burganlage umfloss und Schutz vor Eindringlingen bot.
    Vala schüttelte den Kopf, dass Tropfen von ihrer Kapuze sprühten. »Ich war seine Amme. Als er heranwuchs, fanden seine Eltern für mich andere Aufgaben auf Kastell Gwalch Glas.«
    »Kastell?«
    »Ja. Sein Vater war ein illegitimer Spross König Henrys I. von England, und seine Mutter war Prinzessin Nest, die mit Gerald von Windsor vermählt wurde.«
    » Er ist ein Fürst?«
    Als hätte er ihre Frage vernommen, hielt Tarran inne, drehte sich um und hielt wieder ihren Blick fest. Sie konnte sich ihn in prächtigen roten Gewändern vorstellen, wie er den Vorsitz in einer großartigen Halle führte, in der alle, Männer wie Frauen, um seine Gunst wetteiferten. Eine Halle wie jene anderen, in denen ihre Eltern zur Unterhaltung hoher Herrschaften aufgetreten waren.
    Seinen eindringlichen Blicken würde nichts entgehen, was auf seinem Besitz vorging. Sie würden auch den Tapfersten einschüchtern, der sich vor ihm verneigte. Trug ein walisischer Fürst eine goldene Krone? Auf seinem ebenholzschwarzen Haar würde sie so hell strahlen wie die Sonne.
    »In den Augen der Normannen ist er kein Fürst«, sagte Vala, und Elspeth löste den Blickkontakt mit Tarran, um die alte Frau anzusehen, die ihre Kapuze zurückstreifte, als sie den Turm betraten. »Die Waliser aber erkennen auch illegitime Söhne als rechtmäßige Erben ihrer Väter an.«
    Elspeth schob ihre Kapuze ebenfalls zurück. Sie vergewisserte sich, dass die langen Stangen nicht die niedrige gemauerte Decke des Eingangskorridors streiften, und ging auf einen gewölbten Eingang zu, hinter dem Stimmen hervordrangen.
    Als sie den Bogen durchschreiten wollte, vertrat ihr ein Mann den Weg. Er war gedrungen wie der Turm und so kahl wie die Wände.
    »Keine Waffen in der Halle!«, knurrte er.
    Elspeth zögerte. Die Vorstellung, sich ohne ihren Kampfstock unter Fremde zu begeben, war beunruhigend. Sie würde sich nackt und angreifbar fühlen.
    »Hört auf den Mann, Elspeth«, sagte Tarran, als er im Eingang stehen blieb. Der Falke auf seinem Arm trug ein knappes Lederhäubchen über den Augen. »Sein Ansinnen ist vernünftig.«
    Sie übergab dem Mann alle drei Stangen. Sein Gleichmut, als er sie an die Wand lehnte, verriet, wie oft er diese Bewegung ausgeführt hatte.
    »Wie ich sehe, gilt Euer Falke nicht als Waffe«, sagte sie, als sie um den Mann herumging.
    »Wer eine Ahnung von Falken hat, weiß auch, dass sie nur angreifen, wenn sie Hunger haben, und auch dann nur kleine Beutetiere.« Tarran musterte sie wieder von Kopf bis Fuß. »Kleiner als Ihr, also habt Ihr nichts zu befürchten.«
    »Falls Ihr mich beleidigen wollt, vergeudet Ihr Euren Atem. Ich empfand fehlende Körpergröße nie als Nachteil.« Sie bedachte ihn mit ihrem kältesten Lächeln, als sie an Nariko dachte, die ihr erklärt hatte, dass bei manchen Formen waffenlosen Kampfes Elspeths Kleinheit ein Vorteil sein konnte. »Von wem würde man mehr Bedrohung erwarten? Von einem Mann mit einem sich sträubenden Falken auf dem Arm oder von einer Frau mit einem Stock in der Hand? Überraschung kann die wirksamste Waffe sein.«
    »Es würde mich sehr wundern, wenn Ihr auf eine Bemerkung mit nur wenigen Worten antworten würdet.«
    Sie lachte, als sie die Halle mit der hohen Decke betraten. Wieder zog sie alle Blicke auf sich. Von den Tischen aus, die sich um eine erhöhte Tafel drängten, vom größeren zweier Kamine nahe der Wand, aus einer Ecke, in der kleine Mädchen Nähunterricht bekamen, aus dem Bereich der Halle, wo das Gesinde frische Binsen auf dem Steinboden verteilte, der so grau wie die Wände war … alle sahen sie an.
    Die Einzigen, die sie ignorierten, waren zwei Männer, die links vom Eingang saßen. Sie trugen schlichte Gewänder in gebrochenem Weiß, deren Kapuzen sie zum

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