Die Läuferin von Pern
sicherzugehen, daß Tenna sie nicht wieder unterbrechen würde. »Ich komme aus einer zwölfköpfigen Familie, alles Läufer. Und all ihre Kinder sind wieder Läufer geworden. Du wirst laufen, Mädchen. Mach dir da keine Gedanken. Du wirst laufen.« Dann lachte sie. »Bei einer Frau geht es darum, wie lange, nicht ob.«
Tenna hatte vor langer Zeit beschlossen - als man sie für alt genug hielt, auf ihre jüngeren Geschwister aufzupassen -, daß sie lieber laufen als Läufer großziehen würde. Sie würde laufen, bis sie die Knie nicht mehr heben konnte. Sie hatte eine Tante, die nie geheiratet hatte: Sie war gelaufen, bis sie älter gewesen war als Cesila jetzt, und dann hatte sie die Leitung einer Verbindungsstation am Weg nach Igen übernommen. Sollte etwas passieren und sie nicht mehr laufen können, hätte Tenna nichts dagegen einzuwenden, eine Station zu leiten. Ihre Mutter leitete ihre perfekt, hatte stets heißes Wasser bereit, um die Schmerzen in den Gliedern der Läufer zu lindern, gutes Essen, bequeme Betten, und ihre Heilkünste konnten es mit denen aufnehmen, die man in einer Burg fand. Und es war immer aufregend, weil man nie wußte, wer an einem bestimmten Tag angelaufen kam und wohin er unterwegs war. Läufer durchquerten den Kontinent regelmäßig und hatten Nachrichten von anderen Teilen Perns dabei. Viele wußten interessante Geschichten über Probleme auf den Pfaden zu berichten, und wie man sie löste. Man hörte viel von anderen Burgen und Hallen und dem einen Drachenweyr, und obendrein, was die Läufer am meisten interessierte: wie die Bedingungen waren und welche Pfade nach einem schweren Regen oder Erdrutsch ausgebessert werden mußten.
Sie war jedoch ziemlich erleichtert, als ihr Vater ihr sagte, daß er Mallum von der Station Telgar gebeten hatte, ihr Prüfer zu sein. Wenigstens hatte Tenna den Mann bei den Gelegenheiten gesehen, wenn ihn sein Weg durch ihre Station am Rand der Ebenen von Keroon geführt hatte. Er war, wie andere Läufer, ein langer, schlaksiger Mann mit langem Gesicht und grauem Haar, das er mit einem Schweißband nach hinten band wie die meisten Läufer.
Ihre Eltern sagten ihr nicht, wann Mallum erwartet wurde, aber eines schönen Morgens stand er da, übergab einen Beutel, der am Brett an der Tür aufgehängt wurde, und hinkte zum erstbesten Stuhl.
»Hab mir die Ferse gestoßen. Wir müssen den Südweg wieder von Steinen befreien. Ich schwöre, nach ein oder zwei Planetenumläufen sind sie wieder nachgewachsen«, sagte er, wischte sich mit dem orangefarbenen Schweißband die Stirn ab und dankte Tenna für den Becher Wasser. »Cesila, hast du deinen wahrhaft wunderbaren Breiumschlag parat?«
»Habe ich. Ich habe den Kessel in dem Moment aufgestellt, als ich sah, wie du dich den Weg heraufgequält hast.«
»Ich habe mich nicht gequält«, leugnete Mallum jovial. »Ich habe nur darauf geachtet, nicht mit der Ferse aufzutreten.«
»Versuch nicht, mich zum Narren zu halten, du lahmer Gimper«, antwortete Cesila, während sie einen Breisack in das warme Wasser tauchte und die Temperatur mit dem Finger prüfte.
»Wer läuft von hier weiter? Ein paar Befehle in dem Beutel müssen schnellstens nach Süden.«
»Ich übernehme das«, sagte Fedri, der aus seinem Zimmer kam und sein Schweißband anlegte. »Wie dringend?« Den Läufergürtel hatte er über der Schulter hängen. »Ich habe noch andere vom frühen Lauf nach Osten.«
»Hmmm. Sie sollten zur Zusammenkunft auf Igen da sein.«
»Ha! Sie werden rechtzeitig dort sein«, sagte Fedri, griff nach dem Beutel und sortierte aufmerksam andere Botschaften hinein, ehe er ihn durch die Gürtelschlaufen zog. Er schob ihn mit einer Hand auf den Rücken und notierte mit Kreide den Zeitpunkt der Übernahme. »Auf bald.«
Dann war er zur Tür hinaus, wandte sich nach Süden und verfiel in den raumgreifenden Schritt, sobald seine Füße das Moos des Pfads berührten.
Tenna, die wußte, was benötigt wurde, hatte Mallum schon einen Fußschemel gebracht. Sie sah Erlaubnis heischend zu ihm hoch, löste nach seinem Nicken den rechten Schnürsenkel und fühlte die feine Qualität des Leders. Mallum machte seine Schuhe selbst und hatte die Stiche sauber und eng genäht.
Cesila kniete neben ihrer Tochter und beugte den Kopf, um sich die Schwellung anzusehen.
»Hmmm. Ist schon früh passiert, was?«
»Stimmt«, sagte Mallum und sog zischend Luft ein, als Cesila den Breiumschlag auflegte. »Oooooh! Scherben ... du hast ihn doch nicht
Weitere Kostenlose Bücher