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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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heute ein besonderer Tag, und ich will gar nicht lange drumherumreden. Ein Vöglein hat mir gezwitschert, dass du vielleicht etwas von Mina weißt.«
    »N … nein …«, stotterte Irmelind.
    Sie zuckte zusammen, als Philipp drohend die Hand hob. »Lüg mich nicht an, ich hasse Frauen, die lügen.«
    Er zwang sie noch näher an den Ofen heran. Irmelind verspürte einen ersten Anflug von Panik. Sie hatte schon von Frauen gehört, deren Kleider in Brand geraten waren, weil sie zu nah am Feuer gestanden hatten. Bei lebendigem Leib waren sie verbrannt, ein schrecklicher Gedanke.
    Ich will nicht bei lebendigem Leib verbrennen.
    » Komm, ich will doch nicht wissen, wo dein Sohn ist. Ich will nur wissen, wo sich meine Schwester aufhält.« Philipp deutete auf sein Gesicht. »Weißt du, wer schuld hieran ist?«
    Irmelind schüttelte bebend den Kopf.
    »Sie war es.«
    »Mina?« Irmelind war fassungslos.
    »Ja, Mina.«
    Ich muss jetzt etwas sagen, auch wenn ich ihm nicht glaube, dachte Irmelind, sonst verbrenne ich. Er wird einfach zusehen, wie ich verbrenne. Und bevor sie sich besann, kamen die Worte schon aus ihrem Mund.
    »Am Unabhängigkeitstag, am 25. Mai, … da …«, begann sie zu stottern.
    »Am 25. Mai, ja? Was ist am 25. Mai?« Philipp riss Irmelind vom Ofen zurück und presste ihr die Spitze seines riesigen Messers in den Hals. »Sprich schon weiter, Weib!«
    »Sie … sie wollen sich da treffen. Mina … und mein Sohn …«
    Irmelind konnte sich nicht mehr beherrschen. Sie spürte, wie etwas Warmes an ihren Beinen entlanglief. Ohne dass sie etwas dagegen hätte tun können, entleerte sich ihre Blase. Eine Pfütze bildete sich dort, wo sie stand.
    Endlich ließ Philipp sie los. Sie wollte sich retten, aber ihr Körper war wie erstarrt. Er lachte auf.
    »Dachtest du, ich würde dich tatsächlich umbringen? O nein«, er lachte wieder, »das Wissen darum, dass du Mina und deinen Jungen verraten hast, dass du vielleicht nie erfahren wirst, was ich mit ihnen tun werde, wird dir eine schlimmere Strafe sein als der Tod.«

Siebtes Kapitel
    »He, Blum!«
    Die Stimme des Vormannes hielt Frank auf. Er drehte sich um und schaute den Mann, den hier alle nur den roten Mick nannten, fragend an.
    »Sie brauchen Hilfe, drüben auf der anderen Baustelle.«
    Frank nickte. Ein neues hohes Gebäude wuchs dort in die Luft, und er gehörte zu jenen, die keinen Schwindel verspürten. Er, Frank, konnte sogar in die höchsten Höhen klettern. Es machte ihm rein gar nichts aus. Manchmal fragte er sich, ob das schon immer so gewesen war, aber er konnte sich tatsächlich nicht erinnern.
    »Gehst du dorthin?« Mick schaute ihn fragend an. »Ich hab keinen Besseren als dich. Bekommst nächste Woche auch zwei Tage frei.«
    »Ist schon in Ordnung«, wehrte Frank ab.
    Er wollte gewiss keinen freien Tag. Wenn er arbeitete, musste er nicht nachdenken, und das war ihm allemal lieber.
    Die andere Baustelle lag etwa zehn Minuten von seiner jetzigen entfernt. Sein Weg führte ihn an Bettlern vorbei, die hier verjagt werden würden, sobald die Häuser standen. Aus manchen Baracken drang irische Musik. Auch Mick war Ire, aber er drohte jedem Prügel an, der laut davon sprach. Die katholischen Iren waren nicht wohlgelitten. Armes, faules Pack, so sprach man über sie, dreckige Säufer allesamt.
    An der Baustelle meldete er sich beim Polier, der ihm sofort eine Stelle auf dem obersten Gerüst zuwies. Jack, ein Lakota-Indianer, mit dem er sich angefreundet hatte, empfing ihn oben mit einem Grinsen.
    »Na, wenn das nicht unser wasi’chu ist, das Bleichgesicht, das keine Angst davor hat, zu fallen.«
    »Jack!«
    Mehr sprachen sie nicht. Schweigend arbeiteten sie für die nächsten Stunden nebeneinander, bis es dämmerte. Als Erstes legte Jack Steinhart seinen Hammer beiseite, ließ sich auf dem Tragebalken nieder, als säße er auf einer Parkbank, aß etwas Trockenfleisch aus seinem Beutel und trank Wasser dazu.
    »Ich werde bald wieder meine Familie besuchen«, sagte er unvermittelt. »Meine Frau bekommt unser fünftes Kind.«
    Frank setzte sich neben ihn und starrte schweigend auf die Straße hinunter, die zunehmend vom Dämmerlicht verschluckt wurde. Wie schön es wäre, auch eine eigene Familie zu haben.
    Mina … Finde dich damit ab, sie ist tot.
    Abwesend kramte Frank das letzte Stück Brot aus seiner Jackentasche und biss hinein. Unten liefen die Menschen geschäftig hin und her, aus der Höhe betrachtet so viel kleiner als Jack und er. Eine Bewegung

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