Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
Vom Netzwerk:
einmal konnte sich Annelie keinen Reim auf sein Verhalten machen. Warum beschenkt er sie, wenn sie ihm doch mehr oder weniger gleichgültig ist?, fragte sie sich.
    Dann bemerkte sie Paco Santos, der am nächsten Morgen nach Buenos Aires weiterreiten wollte. Er hatte sich ebenfalls nett zurechtgemacht. Seine Reitkleidung hatte er gegen einen Anzug eingetauscht, der ihm wirklich gut stand. Eben kam er auf Annelie zu und begrüßte sie freundlich. Mina hatte sie gerügt, weil sie dem jungen Mann gegenüber immer so abweisend war. Aber sie konnte ihr Misstrauen nicht zurückhalten. Sie stufte einfach alles Neue zuerst einmal als Gefahr ein. Es war zu viel Schreckliches passiert in ihrem und in Minas Leben. Wenn ich Mina nicht immer wieder dazu anhalten müsste, Eduards Interesse wachzuhalten, könnten wir uns sicher schon wie eine richtige Familie fühlen, fuhr es Annelie durch den Kopf.
    Anfänglich war sie enttäuscht gewesen über Minas Widerspenstigkeit, dann hatte sie sich damit abgefunden. Mochte Mina auch jetzt hin und wieder ärgerlich sein, sie alle würden ihr, Annelie, noch einmal dankbar sein. Das Leben hatte ihnen beiden eine neue Chance gegeben. Annelie war entschlossen, sie zu nutzen.
    Die Aprilschauer und die kühlen Winde, die im Herbst über die Pampa fegten, beendeten die lange Dürre des Sommers. Die hierra begann. Dazu wurden die Rinder erst zusammengetrieben. Dann fing eine Gruppe von Lassowerfern einzelne Tiere aus der Herde heraus. Man fesselte sie, und drei Knechte warfen das jeweilige Tier daraufhin zu Boden. Ein weiterer brannte dem Tier sorgfältig das Emblem von La Dulce ein. Stiere wurden zusätzlich mit zwei schnellen Schnitten kastriert, die Überreste den wartenden Hunden zugeworfen. Mina musste sich erst an den Anblick gewöhnen. Die Vorgehensweise erschien ihr so grob, der Ausdruck in den angstvoll verdrehten Augen der Tiere schmerzte sie.
    Auch die hierra wurde mit einem großen Fest beendet, auf dem es, wie üblich, viel gutes Essen, Alkohol, Tanz und Gesang gab und mancher seine Fähigkeiten mit dem Lasso und den boleadoras demonstrierte.
    Doch das Leben auf der Estancia war nicht nur ein Wechsel von harter Arbeit und Spiel. La Dulce blieb auch von Tragödien nicht verschont. Zwei Tage, nachdem die hierra durch ein Fest beendet worden war, stolperte das Pferd eines der Vormänner in das Loch einer vizcacha , einer Hasenmaus. Der Mann stürzte und brach sich das Genick. Einige Tage später fiel ein Knecht vom Pferd in sein eigenes Messer, das er erst kurz vorher aus der Scheide genommen hatte, und verstarb ebenfalls. Tod und Leben lagen in der Pampa sehr nah beieinander.

Sechstes Kapitel
    Hermann Blum arbeitete nicht mehr für die Dalbergs, sondern in Meyners 1877 gegründeter Häutefabrik. Auch wenn Ackerbau und Viehzucht von Jahr zu Jahr mehr florierten und die günstigen Transportmöglichkeiten per Schiff in die Städte ein Übriges taten, sodass sich in der Siedlung mittlerweile bescheidener Wohlstand ausbreitete, hatte den Blums die Landwirtschaft nie Glück gebracht.
    Irmelind blieb vor Hermanns Daguerreotypie, die sie sich zu Weihnachten gewünscht und an die Wohnstubenwand gehängt hatte, stehen. Darunter hing das Bild von ihrem Ältesten, seiner Frau und deren Kinder. Franks Bild fehlte, und das schmerzte umso mehr, als Hermann ihr nun endlich glaubte.
    »Frank ist unser Sohn. Ich war solch ein Narr. Ich hätte nie auf die Einflüsterungen der Amborns hören dürfen.«
    Sie hatte die Augen aufgerissen. »Du glaubst mir?«
    »Ich hätte nie zweifeln dürfen.«
    Ihr Blick fiel auf die Kommode und die alte Stutzuhr. In der hinteren Ecke, am weitesten von der Tür entfernt, zwischen dem Fenster und der Tür zur früheren Schlafkammer ihrer Kinder, stand heute ein schöner eiserner Ofen. Seit Hermann in der Fabrik arbeitete, ging es ihnen besser als je zuvor.
    Aber dem Herzen, fuhr es Irmelind durch den Kopf, dem fehlt etwas.
    Ein Geräusch draußen riss sie mit einem Mal aus den Gedanken. Sie ging rasch zur Tür, öffnete, um nachzusehen, wer zu dieser ungewöhnlichen Tageszeit zu Besuch kam, und unterdrückte fast sogleich einen Schreckensschrei.
    »Philipp!«
    »Freust du dich, mich zu sehen, Irmelind?«
    »Ich …«, Irmelind konnte den Blick nicht von seinem zerstörten Gesicht nehmen, »… bekomme selten Besuch.«
    »Ist das so?«
    Irmelind wich voller Angst ins Zimmer zurück, Philipp folgte ihr, bis es nicht mehr weiterging. Hinter ihr war nur noch der Ofen.
    »Dann ist

Weitere Kostenlose Bücher