Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
Vom Netzwerk:
war.
    »Glaubst du, Frank wird zu uns zurückkommen?«
    Irmelind stand dicht hinter ihrem Mann und legte ihm nun eine Hand auf die Schulter. Hermann rührte sich nicht. Schon geraume Zeit beobachtete er die Schatten, die über den kleinen Platz vor ihrem Häuschen huschten. Seit Frank fort war, wohnte ihr ältester Sohn Samuel bei ihnen, der doch auch eine Familie hatte, um die er sich kümmern musste, aber Irmelind hatte ihn angefleht, noch ein wenig zu bleiben, und er war geblieben.
    Hermann wusste, wie verzweifelt Irmelind über Franks Flucht war und über die Vorwürfe, die man gegen ihn erhob. Er selbst hatte sich dagegen schon öfter gefragt, warum er so ruhig blieb. Sie hatten schwere Zeiten erlebt vor Franks Geburt. Irmelind hatte still, aber heftig um Vroni getrauert und ihn, in ihrem Schmerz erstarrt, kaum noch an sich herangelassen. Die wenigen Male, die er ihr beigelegen hatte, war sie steif wie ein Brett gewesen, hatte sich danach sofort zur Seite gedreht und ihm den Rücken zugekehrt. Seit Vronis Tod hatte er nicht mehr den Eindruck, eine Ehefrau an seiner Seite zu haben.
    Hermann zuckte die Schultern, schob dann Irmelinds Hand weg und trat zur Seite. Die Frage war plötzlich in seinem Kopf, und er wusste auch, dass er sie schon immer hatte stellen wollen. Niemals hatte er die gleiche Beziehung zu Frank gehabt wie zu seinen anderen Kindern. Frank war ihm von Anfang an fremd geblieben. Nach seiner Geburt hatte Hermann ihn pflichtschuldig in den Arm genommen, doch er hatte nichts gespürt. Zuerst hatte er sich gesagt, dass es an den Anstrengungen lag, an dem Leben, das auch in der Neuen Welt nicht einfacher geworden war, aber inzwischen wusste er, dass das nicht der Grund war.
    »Ist er mein Sohn?«, fragte er abrupt.
    »Wie bitte?« Irmelind klang vollkommen überrascht.
    »Ist die Frage wirklich so schwer zu verstehen? Ich frage dich, ob Frank mein Sohn ist?«
    Hermann drehte sich zu Irmelind und schaute seine Frau genau an, damit ihm auch ja keine Regung in ihrem Gesicht entging.
    »Aber natürlich, warum fragst du?«
    »Weil er mir nicht ähnlich sieht, vielleicht?«
    Weil er schwarze Augen hat, fügte er im Stillen hinzu.
    »Wegen seiner Augen?«, fragte Irmelind fast im gleichen Moment. »Aber du weißt doch, wir hatten Franzosen in der Familie. Meine Mutter hieß Noyer, bitte, das kannst du nicht ernst meinen … Natürlich ist Frank dein Sohn. Alle sagen, dass er deine Nase hat, deine Art zu lachen, deinen …«
    Hermann presste die Lippen aufeinander, und Irmelind brach unvermittelt ab. Sie sah jetzt unglücklich aus, fassungslos über das, was er geäußert hatte. Aber er konnte nicht anders. Er dachte an den Knecht, der ihn in jenem Jahr unterstützt hatte, das Franks Geburt vorausgegangen war – ein Italiener mit samtschwarzen Augen. Franks Augen.
    »Hermann«, Irmelind berührte ihn erneut, »du musst mir glauben. Frank ist dein Sohn. Bitte hilf mir, ihn von diesem Verdacht zu befreien. Bitte hilf mir, dass er zu uns zurückkehren kann. Bitte …«
    »Ich muss gar nichts, Irmelind. Ich muss auch niemandem helfen, dir nicht und deinem Sohn auch nicht«, unterbrach er sie, drehte sich um und ging mit langen Schritten davon.

Drittes Kapitel
    Der Stein durchschlug die Scheibe und landete polternd vor dem Tisch im Salon. Für einen Moment wie erstarrt stand Viktoria da. Es war nicht das erste Fenster des großen Hauses der Estancia Santa Celia, das zu Bruch ging, seit Pedro, sie und die Kinder hierher zurückgekehrt waren. Ihr gemeinsames Leben auf Santa Celia hatte nur wenige friedliche Wochen angedauert, dann hatte man Viktoria Santos, der »Hure«, und Pedro Cabezas, dem Mestizenbastard, den Krieg erklärt. Auch wenn Pedro einen weißen Vater hatte, galt er den Weißen doch als »dreckiger Indio-Bastard«. Dass Viktoria ihren Ehemann Humberto Santos verlassen hatte, verbesserte die Lage auch nicht gerade, obwohl sie gute Gründe gehabt hatte. Es ist verpönt, wenn sich weiße Frauen mit Indios einlassen. Da gilt kein leben und leben lassen – das hätte ich bedenken müssen, dachte sie bitter.
    Langsam bückte Viktoria sich nach dem Stein. Mechanisch löste sie das Papier, das ihn umwickelte. Eigentlich hätte sie das nicht tun müssen, wusste sie doch ohnehin schon, was darauf stand: puta. Hure. Einfallsreicher waren ihre Widersacher bislang nicht gewesen.
    Wut verdrängte mit einem Mal Viktorias Angst. Mit wenigen entschlossenen Schritten war sie beim Kamin und warf das Papier hinein.

Weitere Kostenlose Bücher