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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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bei Pedro nichts über die richtige Haltung einer Dame zu Pferde, ebenso sicher konnte Viktoria sich aber auch sein, dass die Kinder nach diesen Lehrstunden jedem Angreifer, den sie früh genug bemerkten, entkommen konnten.
    Und was zählte mehr? Viktoria seufzte.
    Ach, verdammt, ich liebe diesen Ort. Nur deshalb bin ich, nach all dem Schrecklichen, was hier geschehen ist, zurückgekehrt.
    Für einen kurzen Moment stiegen Erinnerungen in ihr hoch, die sie sich sonst versagte – an ihr Leben, das sie hier als Teil der Familie Santos einmal geführt hatte, die seltsame, letztendlich krankhafte Liebe ihrer Schwiegermutter zu ihrem Sohn und Viktorias Ehemann, die Viktoria und ihre Kinder in große Gefahr gebracht hatte.
    Heute ist alles besser, dachte sie, aber sie musste auch zugeben, dass die Unbill nicht gebannt war. Es drohten neue Gefahren, die sie einfach nicht mehr ignorieren konnte.
    Viktoria schüttelte die Gedanken ab. Nach dem gestrigen Gespräch mit Pedro hatte sie sich in der Nacht wieder lange hin und her gewälzt. Wie sollte sie entscheiden? Sollte sie bleiben oder darauf bestehen, zu gehen? Wie lange sollte sie abwarten, wann war es zu spät? Immerhin ging es hier um Santa Celia, eine gut gehende Estancia, und damit, wie Pedro ganz richtig bemerkt hatte, auch um Estellas rechtmäßiges Erbe. War es nicht ihre Pflicht, darum zu kämpfen?
    Alljährlich in den Sommermonaten, zur Zeit der schlimmsten Regengüsse, Epidemien und anderer Plagen zogen sich die wohlhabenden Familien Saltas aus der Stadt zurück, um die Zeit bis März an angenehmeren Orten zu verbringen. Das höher gelegene San Lorenzo, wo auch die Sanchez ihr Sommerhaus hatten, war berühmt für die Schönheit seiner Landschaft und seine mineralischen Quellen. In diesem Jahr hatten die Sanchez Humberto eingeladen, die Familie dorthin zu begleiten. So hatte Humberto sein Stadthaus verlassen und wohnte den Sommer über bei seinen Verwandten, die sich bemüßigt fühlten, sich um ihr unglückseliges Familienmitglied zu kümmern.
    Bittsteller, ging Humberto durch den Kopf, vom Besitzer mehrerer Estancias zu einem elenden Bittsteller degradiert.
    In seinem Gästezimmer drehte er sich vor dem Spiegel hin und her. Seit jenen schrecklichen Ereignissen Mitte des Jahres, seit dem Tod seiner Mutter, hatte er stark abgenommen. Er war einst ein stattlicher Mann gewesen, jetzt schlotterte ihm seine Kleidung am Körper. Eigentlich hätte Humberto sich ein paar neue Sachen schneidern lassen müssen, doch dafür hätte er seine Frau Viktoria um Geld bitten müssen. In einem Moment der Schwäche – er hatte sich schuldig und erpressbar gefühlt – hatte er ihr als Einziger Zugang zu Vermögen und Besitz der Santos eingeräumt. Sie nutzte ihre Position zwar wahrlich nicht aus, trotzdem stieg nicht zum ersten Mal leise Wut in ihm auf. Verdammt, er war Don Humberto, Besitzer von Santa Celia, La Dulce, Tres Lomas und, Gott wusste, wie vielen anderen Estancias. Er war Teilhaber bolivianischer Silberminen, direkter Nachkomme der Konquistadoren, angesehenes Mitglied der Saltenser Gesellschaft.
    Mit einem Seufzer befestigte Humberto seine Hosenträger, schlüpfte in die Weste, zog zu guter Letzt noch den Rock über und knöpfte ihn zu. So konnte es gehen, wenn man nicht zu genau hinsah. Mit allen zehn Fingern streifte er sich durch das dunkle Haar. Seit er nach Salta zurückgekehrt war, ließ er sich einen Schnurrbart stehen. Wenigstens der sah wirklich prächtig aus.
    Wenig später betrat Humberto den Salon. Alberto Navarro, Euphemio Sanchez’ Neffe, wartete schon. Gerüchteweise hatte Humberto gehört, dass dieser Lackaffe einmal um Viktorias Gunst gebuhlt hatte. Die beiden Männer nickten einander nur knapp zu und nahmen dann in den Sesseln Platz, die links und rechts eines zierlichen kleinen Tisches standen. Nach einer Weile nahm Humberto sich eine Zigarre aus dem bereitstehenden Kästchen, entzündete sie und begann zu rauchen.
    »Es ist gut, dieses feuchte Loch Salta hinter sich zu lassen, nicht wahr?«, sagte Alberto endlich.
    Will er jetzt mit mir über das Wetter reden?, fragte sich Humberto. Während der sommerlichen Regenperiode war das Leben in Salta tatsächlich kaum auszuhalten. Außerhalb des Stadtzentrums konnte man sich nicht bewegen, ohne im Schlamm zu versinken, weder zu Fuß noch zu Pferde oder mit einem Karren. Er war heilfroh, die Stadt hinter sich gelassen zu haben.
    Alberto nahm sich ebenfalls eine Zigarre. »Nun, Don Humberto …«, fuhr er

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