Die Landkarte der Liebe
liebten â genau wie sie. Als sie daran dachte, wie sehr sie Finn verletzt hatte, biss sie sich auf die Lippe. Es war grausam, ihn wegen Noah zu verlassen, aber unverzeihlich, ihm auch noch vorzumachen, sie käme ohne Notwendigkeit zu ihm zurück. Wie gern hätte sie nun mit ihm in einem Zelt gelegen und ihm, Nasenspitze an Nasenspitze, gesagt, wie leid ihr alles tat. Aber dafür war es zu spät. Verkehrslärm und Stimmengewirr drangen durch das offene Fenster, in der Ferne rauschte das Meer.
Irgendwann musste Mia doch in einen leichten Schlaf gefallen sein, denn sie wurde mit einem harten Stoà gegen die Brust aufgeweckt. Erschrocken glitt sie aus dem Bett. Noah schlug heftig um sich und wand sich in den Laken wie ein wildes Tier in einem Netz.
»Noah!«
Unverständliches Raunen drang aus seinem Mund, er krümmte sich immer noch unter dem Griff des Albtraums.
Sie wich zurück bis an die Wand und tastete nach dem Lichtschalter. Die Neonröhre summte, Mia hielt sich die Hände schützend vor die Augen und blinzelte.
Noah schien sich aus dem Schlaf zu rütteln, er stieà die Decke zurück und taumelte aus dem Bett. Sein Körper glänzte vor SchweiÃ, er atmete heftig. Er fuhr herum, mit groÃen, erstaunten Augen. »Was hab ich getan?«
Mia drückte sich an die Wand. »Du hattest einen Albtraum.«
»Hab ich ⦠Hab ich dir wehgetan?«
Sie spürte einen dumpfen Schmerz in ihrer Brust, dort, wo seine Faust sie getroffen hatte. »Nein, alles okay.«
»Was machst du überhaupt hier? Du solltest gar nicht hier sein.« Er wandte sich von ihr ab und ging zum Fenster, legte eine Hand an die Scheibe wie ein Gefangener, der verzweifelt zu entkommen sucht. Der Verband an seinem Rücken war abgeÂrissen.
Mia ging langsam zu Noah und legte ihm die Hände auf das SteiÃbein, auf seinen weichen Poansatz. Seine Haut glühte.
»Noah?« Er drehte sich nicht um. Der Albtraum lieà ihn noch nicht los. Mia verstand. Deshalb protestierte Noah immer dagegen, dass sie über Nacht blieb. »Das passiert oft, oder?«
Er schob den Unterkiefer vor. Mia erkannte in der dunklen Scheibe, dass er die Augen fest geschlossen hatte. Er wirkte unsagbar verletzlich, als ein dünnes Rinnsal Blut langsam aus der Wunde lief. Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm und streichelte ihn zärtlich mit einem Finger, fuhr sanft über seine dunkle Tätowierung. »Es ist alles gut«, sagte sie leise.
Die Geste löste Noah aus seiner Erstarrung. Seine Schultern zuckten, er senkte den Kopf.
»Oh, Noah.« Mia schlang die Arme um seine Taille und hielt ihn fest, bis sein Schweià kalt wurde. Es erschreckte sie, ihn so zu sehen. »Wovon hast du geträumt?«
Er erstarrte.
»Noah?«
Keine Antwort.
»Es ging um Johnny, oder?«
Er wich zurück.
»Du kannst mit mir darüber reden.«
Er sagte nichts. Sie waren sich so ähnlich, sie beide wurden von einem stillen, tiefen Kummer niedergedrückt. Sie könnten einander helfen, davon war Mia in diesem Moment fest überzeugt. »Ich weiÃ, dass du deinen Bruder verloren hast. Erzähl mir von ihm. Ich will dir helfen.«
»Bitte geh jetzt.«
»Was?«
»Ich kann das nicht.«
»Noah, ich will doch nur â«
Doch er war schon zum Bett gegangen und raffte ihre Sachen zusammen.
»Was machst du da?« Die Angst glitt wie eine bedrohliche Berührung über ihre Brust. »Noah, bitte â«
»Du bedrängst mich, Mia. Du willst mit Gewalt in meinen Kopf. Ich kann das nicht. Ich hätte erst gar nichts mit dir anfangen dürfen. Es war ein Fehler. Tut mir leid, Mia, aber das war ein Fehler.«
Er gab ihr ihre Sachen, Mia zog sich wie betäubt an. Als sie sich umdrehte, fiel ihr Blick auf seinen Rucksack. Er lehnte am Schreibtisch. Und war gepackt. »Du fährst?«
»Ja.«
»Wann?«
»Morgen.«
»Hättest du es mir gesagt?«
Er sah sie an. Vieles lag hinter der Düsternis in seinem Blick verborgen. Dann machte er die Tür auf.
Mia ging hindurch.
»Es tut mir leid«, war alles, was er sagte.
Kapitel 27
Katie
Bali, August
Katie trat auf den Balkon. Ein Vogel, der in der Nähe nistete, flog mit seinen dunklen Schwingen erschrocken in die Nacht. Katie legte die Hände auf das hölzerne Geländer und atmete tief ein. Es roch nach Frangipani und nach kühler
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