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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Clarke
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Erde.
    Finn kam zu ihr. Keiner sprach ein Wort. Katie lauschte dem fernen Ruf der Brandung und der Brise, die durch die Bäume rauschte. Katie hatte noch nicht auf Finns Bitte reagiert. Sie konnte noch nicht weiterlesen. Es ging ihr alles zu schnell, die Dinge entglitten ihr. Sie musste nachdenken und sich wieder sammeln.
    Â»Es tut mir leid.« Finns Stimme hatte an Kraft verloren. »Ich hätte dir das mit der E-Mail früher sagen sollen. Aber ich hab mich so geschämt.«
    Das konnte Katie gut verstehen, denn die Scham gehörte zu ihr wie ein Schatten. Auch sie bewahrte ein Geheimnis. Sie hatte niemandem erzählt, dass Mia kurz vor ihrem Tod bei ihr angerufen hatte, sondern mit der Scham gelebt und gespürt, wie die dunkle Schuld durch ihre Adern floss. »Ich war auch nicht ganz aufrichtig zu dir.«
    Finn drehte sich erstaunt Katie zu.
    Sie spürte seinen Blick, doch sie sah nicht auf. Sie schaute in die Dunkelheit. »Mia hat mich angerufen. Am Tag vor ihrem Tod. Wir hatten seit Weihnachten nicht mehr miteinander gesprochen, seit ich ihr von meiner Verlobung erzählt hatte. Drei Monate – es war so lange her.« Sie seufzte. »Und als sie mich dann endlich angerufen hat, da wollte sie nur Geld.«
    Â»Weil ich ihr keines gegeben hatte.«
    Â»Richtig.«
    Â»Hast du ihr was geliehen?«
    Â»Ich hab es nicht mal in Erwägung gezogen.« Katie schloss die Augen. Die Nacht bedrängte sie – und dieses Gespräch. Das Gespräch, das sie in ihrer abgrundtiefen Trauer in Gedanken immer wieder führte.
    Â»Sondern?«
    Katie sah in das erleuchtete Zimmer. Das Tagebuch wartete. »Weißt du, warum ich ihr Tagebuch nicht gleich gelesen habe, nachdem ich es in Händen hielt?«
    Â»Weil du die Erinnerung an Mia lebendig halten wolltest.«
    Sie lachte, kurz und scharf. »Das hätte ich gern geglaubt. Schon komisch, was man sich einreden kann. Doch in Wahrheit, Finn, war ich zu feige. Ich hab es nicht zu Ende gelesen, weil ich nicht wissen wollte, was Mia über dieses Gespräch geschrieben hat.«
    Katie hörte wieder, wie ihr eine dunkle Wahrheit kalt über die Lippen kam, und wie Mia Atem holte, als die Worte sie trafen.
    Â»Ich konnte noch nichts darüber lesen – noch dazu in ihrer Handschrift –, dass es meine Worte waren, die sie an den Rand der Klippe getrieben haben.«

Kapitel 28
Mia
Bali, März
    Mia warf die Münzen in den Schlitz und wählte Katies Nummer. Sie wartete. Aus einem Nachtclub dröhnten tiefe Bässe und drangen bis in ihre Brust. Auf der anderen Straßenseite flackerte eine Laterne, ihr gelbliches Licht zuckte über den Bordstein; ein magerer Hund schnüffelte an einem leeren Essenskarton.
    Â»Katie Greene.« Ihre Stimme klang resolut und professionell.
    Â»Ich bin’s.«
    Â»Mia?«
    Â»Ja.«
    Nach einer kleinen Pause: »Ich bin im Büro.«
    Â»Kannst du trotzdem sprechen? Fünf Minuten?«
    Sie seufzte. »Warte kurz.«
    Mia hörte, wie Katie einer Kollegin sagte, sie käme gleich zurück, dann klapperten Absätze über einen harten Boden. Mia hörte ein saugendes Geräusch, als eine Tür aufging, und schließlich war das Rauschen des Londoner Verkehrs durchs Telefon zu hören.
    Â»Hier draußen ist es eiskalt«, sagte Katie. »Lange kann ich nicht sprechen.«
    Mia stand im Dunkeln, und doch war es immer noch so warm, dass das Baumwoll-T-Shirt an ihr klebte. Die schale Kälte eines Wintertags in London war kaum vorstellbar. »Wie geht es dir?«, fragte Mia schlicht. Sie wusste nicht, wo sie beginnen sollte.
    Â»Gut.«
    Â»Tut mir leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet hab.«
    Â»Drei Monate«, sagte Katie.
    Â»Wirklich?« Mia wickelte sich die Telefonschnur ums Handgelenk und zog sie so stramm, dass kaum noch Blut in ihre Finger floss. Sie hatte vergessen, was sie sagen wollte. »Wie läuft’s bei der Arbeit?«
    Â»Gut.«
    Â»Und mit Ed?«
    Â»Du hast doch nicht angerufen, um dich nach Ed oder meiner Arbeit zu erkundigen. Was willst du, Mia?«
    Mia zerrte an der Schnur. Ihre Fingerspitzen prickelten und wurden kalt. Eigentlich wollte sie Katie nicht um Geld bitten – sie hätte sich viel lieber mit ihr unterhalten, sich von ihrem Alltag erzählen lassen, mit ihr in Erinnerungen geschwelgt – aber sie wusste nicht, wer ihr sonst noch helfen könnte. Sie brauchte

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