Die Landkarte der Liebe
Maui.«
In der Morgendämmerung verlieà Katie das Flugzeug und trat in die parfümierte, feuchte Luft von Maui. Reiseveranstalter empfingen ihre Gäste mit Kränzen aus Hibiskusblüten. Katie bahnte sich ruhig einen Weg durch die duftende Menge und stieg in ein Taxi.
Sie kurbelte das Fenster herunter. Die warme Luft löste die Anspannung in Schultern und Nacken. Sie lieà sich im Norden der Insel absetzen, direkt vor dem Pineapple Hostel. Der Betreiber, der drei silberne Ringe in der Oberlippe trug, empfing sie: »Schlafraum vier ist leer. Immer den Flur entlang, die Treppe hoch und dann nach rechts. Das Bad ist gleich gegenüber. Schönen Aufenthalt. Mahalo.«
Katie bedankte sich und folgte dem hell gestrichenen Korridor, vorbei an Reihen schlecht gerahmter Fotos. Es waren Aufnahmen von Surfern auf gewaltigen Wellen, und unter jedem Foto stand in weiÃer Schrift: Maui . Es war ein unwirkliches Gefühl, an diesem Ort zu sein. Katie hatte überhaupt keine Vorstellung davon, wo sie war, und noch dazu hätte sie sich in diesem Moment eigentlich wieder an die kalten Temperaturen von London gewöhnen müssen.
Es war ihr erster Aufenthalt in einem Hostel, doch zu ihrer Erleichterung war der Schlafsaal mit den vier Etagenbetten und den leuchtend grünen Laken und den gelben Kissen sauber und gelüftet. Sie stellte ihren Rucksack an das erste Bett und reklamierte aus Gewohnheit das untere für sich.
Als sie neun und sechs Jahre alt gewesen waren, hatten sie sich zu Weihnachten ein kanariengelbes Etagenbett gewünscht. Sie hätten sich nicht ein Zimmer teilen müssen â das Haus war groà genug â, doch Katie hatte gern jemanden bei sich, wenn sie einschlief, und Mia hatte sich ein hölzernes Klettergerüst gewünscht. Ãber die Frage, wer wo schlief, gab es keinen Streit: Katie wollte das untere Bett, damit sie das Laken in die Ecken der oberen Matratze stecken, sich einen Baldachin bauen und Prinzessin spielen konnte, und Mia das obere, weil es wie das höchste Deck eines Schiffs war. Sie klebte sich einen Sternenhimmel an die Zimmerdecke und holte eine blaue Matte aus dem Badezimmer, die zum Meer erklärt wurde. Sie hatte Katie, die immer etwas unsicher die wackelige Leiter hinaufkletterte, oft zu sich nach oben gerufen, und dann hatten sie im Schneidersitz dagesessen und sich erzählt, was dort unten im Meer geschah.
Katie holte ihr Handy aus dem Rucksack und schaltete es ein. Es piepste augenblicklich â drei neue Nachrichten von Ed.
Sie setzte sich auf das Bett, musste sich ein wenig ducken, und rief Ed an.
»Katie? Wo steckst du? Ich mach mir Sorgen.«
»Ich musste von einer Sekunde auf die andere ins Flugzeug steigen. Ich hatte keine Zeit â«
»Du bist in Heathrow? Jetzt schon?«
»Nein, Ed, hör doch zu.« Sie legte eine Hand an die Stirn. »Ich hab noch einmal nachgedacht. Und mich entschieden, die Reise fortzusetzen.«
»Wo bist du?«
»Auf Maui.«
»Maui? Was ist denn, verdammt noch mal, mit dir los?«
»Es schien mir falsch, so einfach aufzugeben.«
»Du kannst doch nicht Gott weià wohin fliegen, ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen! Das ist ein viel zu groÃes Risiko. Du benimmst dich schon wie Mia.«
Katie fasste das als Kompliment auf, auch wenn Ed sie eigentlich provozieren wollte. Mit einer Hand zog sie sich Stiefeletten und Socken aus und stellte die FüÃe auf den Boden. Oh, war das schön kühl.
»Solche Entscheidungen sollten wir gemeinsam treffen«, fuhr Ed währenddessen fort. »Ãber so was musst du mit mir reden.«
»Tut mir leid. Du hast recht. Und ich vermisse dich ganz schrecklich, wirklich. Aber mir ist auf einmal bewusst geworden, wie dringend ich das tun muss.«
»Vor ein paar Stunden rufst du an und sagst, du kommst nach Hause. Und jetzt bist du plötzlich auf Maui und machst doch mit dieser Sache weiter. Ich bin mir nicht sicher, ob du im Moment deinen Verstand beisammen hast.«
»Was soll das denn heiÃen?«
»Die Katie, die ich kenne, ist geradlinig und besonnen.«
»Ja, das stimmt. Aber sie hat auch gerade ihre Schwester verÂloren und ein bisschen Abstand wohl verdient.«
»Ich will nicht mit dir streiten, Katie.«
»Dann zeig mir, dass du hinter mir stehst.«
»Ich steh grundsätzlich hinter dir, das weiÃt du. Ich bin nur nicht überzeugt, dass diese
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