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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Clarke
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Reise, noch dazu so ganz allein, im Moment das Richtige für dich ist. Ich habe Angst, dass du einem Gespenst nachjagst.«
    Â»Und ich habe Angst«, erwiderte sie ruhig, »dass ich Mia ganz aufgebe, wenn ich jetzt nach Hause komme.«
    Gespanntes Schweigen herrschte zwischen ihnen. Katie spielte an ihrem Verlobungsring herum, der Diamant funkelte.
    Â»Unsere Einladungen sind gestern rausgegangen«, sagte Ed. Katie hatte die Karten bei einer Grafikfirma bestellt, die per Laser ein Blumenmuster in die Ränder schneiden sollte. Dass das so schnell gehen würde, überraschte sie. Ed fuhr fort: »Die Hochzeit ist in vier Monaten.«
    Â»Ja.«
    Â»Kommst du rechtzeitig zurück?«
    Â»Natürlich.«
    Â»Weil«, sagte er mit weicher Stimme, »ich nämlich nicht weiß, was ich sonst mit hundert verspielten Cath-Kidson-Teelichthaltern machen soll.«
    Sie lächelte. »Ich komme zurück.«
    Sie legte das Handy beiseite und streckte sich mit Mias Tagebuch auf dem grasgrünen Laken aus. Auch wenn Ed das Gegenteil behauptete – sie selbst hatte zum ersten Mal auf dieser Reise das Gefühl, dass sich der Nebel in ihrem Kopf lichtete.
    Sie schlug das Tagebuch bei Micks Adresse auf und fuhr mit dem Finger über die fremden Buchstaben. Die Vorstellung, dass ihr Vater in unmittelbarer Nähe lebte, war seltsam. Katie malte sich ein großes, modernes Haus aus, darin einen Mann mit grauem Haar und einem Schrank voller schicker Anzüge.
    Als Kinder hatten sie und Mia manchmal im Dunkeln mit leiser Stimme über ihn gesprochen. Mia hatte sich über den Rand ihres Bettes gebeugt, den Kopf durch den Prinzessinnenbaldachin gesteckt und gefragt: »Wie war denn Daddy so?« Katie hatte die Oberschlaue gespielt und abstrakte Vergleiche erfunden, mit denen sie Mia tagelang verwirren konnte. »Er ist wie Moby Dick«, oder: »Er erinnert mich an den Text in dem einen David-Bowie-Song.« Wenn Mia fragte, was sie damit meinte, hatte Katie nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, dann müsse sie eben das Buch lesen oder die Platte hören.
    Doch in Wahrheit hatte sie sich aus einem ganz anderen Grund vor einer richtigen Antwort gedrückt: Sie wusste nicht, wie ihr Vater war. Ihre Erinnerungen waren wie Puzzlestücke, die einfach nicht zusammenpassen wollten. Sie hatte sehr deutliche, schöne Szenen im Gedächtnis – etwa den Abend in der alten Küche, deren rote Fliesen immer kalt waren, auch im Sommer. Katie konnte nicht schlafen und war nach unten gekommen, sie wollte ein Glas Milch. Ihre Eltern saßen nicht im Wohnzimmer, aber in der Küche war Musik zu hören. Katie spähte hinein. Ihre Mutter wirbelte in den Armen ihres Vaters herum und lachte ungestüm. Ihr Haar hatte sich aus der Schildpattspange gelöst, die goldene Armbanduhr ihres Vaters schimmerte unter seinem Hemdsärmel hervor, es roch nach Aftershave und dem süßlichen Aroma von Whisky. Als ihr Vater Katie entdeckte, blieb er stehen. Sie hatte Angst gehabt, er würde mit ihr schimpfen, weil sie nicht im Bett lag, doch er nahm sie bei der Hand und wirbelte auch sie herum. Sie lachte so wie ihre Mutter, mit offenem Mund, den Kopf nach hinten geworfen.
    Aber es gab auch Erinnerungen, die sie aus gutem Grund für sich behalten hatte. Als Mia zwei Jahre alt war, musste sie mit sieben Stichen an der rechten Schläfe genäht werden. Ihre Mutter war mit Katie ins Ballett gegangen. In der Pause, Katie drehte in der Lobby Pirouetten, wurde ihre Mutter über Lautsprecher ausgerufen. An der Hauptkasse hatte es geheißen: »Grace Greene? Ihr Mann ist am Telefon.« Ihre Mutter hatte sich den Hörer dicht ans Ohr gehalten, dann waren ihre Augen beängstigend groß und ihre Miene fahl geworden.
    An den restlichen Abend erinnerte sich Katie nur noch in ­Einzelbildern, als wäre es ein Comicstrip. Eine Taxifahrt durch die Dunkelheit. Der Empfangsschalter im Krankenhaus, der so hoch war, dass sie nicht darüberschauen konnte, nicht einmal auf Zehenspitzen. Ihre Schwester, in einem Bett mit glänzenden Metallstangen. Ihre Mutter im Gespräch mit ihrem Vater, die bleichen Hände um die Handtasche gekrallt.
    Er behauptete, Mia sei auf dem Treppenabsatz gestolpert und die Stufen hinuntergefallen, aber nach und nach tauchten immer mehr Hinweise auf, die auf etwas anderes deuteten. Eine Krankenschwester erwähnte ein Motorrad, ein Nachbar

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