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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Clarke
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mit einem Handtuch um die Hüften, Rasierschaum im Gesicht verteilte.
    Â»Ich bin’s.« Sie hatte seit zwei Tagen mit niemandem gesprochen. Der piepsige Klang ihrer Stimme erschreckte sie. Sie räusperte sich. »Ich bin am Flughafen.«
    Â»Wo?«
    Â»In San Francisco.« Sie zögerte. »Ich komm nach Hause.«
    Der Wasserhahn wurde zugedreht. »Ist irgendwas passiert? Ist alles in Ordnung?«
    Â»Ich kann das nicht«, gab sie zu.
    Â»Katie –«
    Â»Ich wollte das hier wirklich. Ich ertrage den Gedanken nicht, dass …« Sie brach ab, als Tränen über ihre Wangen strömten.
    Â»Ist schon gut, mein Schatz.«
    Sie fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Nichts war gut. Sie hatte es nur zwölf Tage lang ausgehalten. Vor ihrer Abreise war sie davon überzeugt gewesen, dass sie Mia auf deren Spuren näherkommen und verstehen würde, was geschehen war, doch je weiter sie Mia nachgereist war, umso ferner hatte sie sich ihr gefühlt. Katie hatte nicht bis zum Morgengrauen in Downtown San Francisco getanzt, war nicht in Unterwäsche in den Pazifik gesprungen, und sie hatte auch nicht die Energie gehabt, bis zum höchsten Punkt der Yosemite Falls zu wandern oder hinauf in die Kronen uralter Mammutbäume zu blicken. Auch fehlte ihr der Mut, in die farbigen Hostels zu gehen, in denen Finn und Mia übernachtet hatten, oder sich ein Zelt unter den Sternen aufzubauen. Es war ihr nicht gelungen, ihre Schwester besser zu verstehen, wie es ihr auch nicht gelungen war, auf deren Art zu reisen.
    Katie war stattdessen von einem Hotel zum anderen gezogen, hatte sich Fastfood oder den Zimmerservice bestellt, damit sie nicht allein in ein Restaurant gehen musste, und hatte bis tief in die Nacht ferngesehen, um das Einschlafen hinauszuzögern. Morgens war sie weitergefahren, über einsame Küstenstraßen, und wenn sie angehalten hatte, hatte sie sich mit einer Decke über den Schultern auf die Motorhaube gesetzt und gelauscht, wie schaumbedeckte Wellen gegen Felsen schlugen.
    Die Erinnerungen an Mia hatten sie durch den Tag begleitet. Manche hatte Katie zu ihrem Trost selbst herbeigerufen und sich darin eingehüllt, wenn sie die kalte Leere gar nicht mehr ertrug. Andere waren ungebeten in ihr Denken eingetreten, über eine salzige Brise oder einen Song aus dem Radio, über die Geste eines Fremden.
    Ed sagte, sanft und ohne jeden Vorwurf: »Das war zu früh.«
    Er hatte von Anfang an recht gehabt.
    Â»Hast du schon ein Ticket?«
    Â»Nein.«
    Â»Ich möchte, dass du den nächsten Flieger Richtung London nimmst. Egal, was es kostet. Darum werde ich mich kümmern. Ich will dich nur wieder heil an meiner Seite wissen.«
    Â»Ich danke dir.«
    Â»Gott, du hast mir so gefehlt. Weißt du, was? Ich werde versuchen, mir ein paar Tage freizunehmen. Wir schließen uns bei mir ein. Ich koch für uns. Wir sehen uns alte DVDs an. Gehen lange spazieren – draußen ist es fast schon Frühling.«
    Â»Ach ja?«, erwiderte sie gedankenverloren.
    Â»Deine Freunde werden erleichtert sein. Sie machen sich doch alle Sorgen. Ich hab noch nie in meinem Leben so viele E-Mails bekommen. Und, glaub mir, wenn du erst einmal zu Hause bist, wird’s dir besser gehen.«
    England, seine Wohnung, seine Arme, genau das brauchte sie. Sie sollte jetzt an einem Ort sein, an dem sie ihre Freunde bequem mit der U-Bahn erreichen und den Supermarkt ohne Stadtplan finden konnte, das Kinoprogramm und die Öffnungszeiten des Fitnesscenters kannte, damit sie in ihrer Freizeit beschäftigt war. Die Welt, in die sie hinausgetreten war, war zu groß, zu fremd für sie.
    Â»Ruf mich an, sobald du dein Ticket hast. Ich hol dich ab.« Er machte eine Pause. »Katie, ich kann es nicht erwarten, dich zu sehen.«
    Â»Ich auch nicht«, sagte sie. Doch selbst nach diesem Anruf blieb das vage, unbehagliche Gefühl der Enttäuschung.
    Sie hob sich geschickt den Rucksack auf den Rücken – inzwischen hatte sie den Bogen heraus – und reihte sich in die Schlange vor dem Ticketschalter ein, die sich durch ein Labyrinth aus Absperrungen wand. Katie stand hinter dem Gepäckwagen einer Familie, deren Säugling selig auf dem Berg aus schwarzen Koffern schlummerte.
    Die Schlange bewegte sich nur langsam vorwärts. Als sie wieder stockte, holte Katie das Tagebuch aus einer Seitentasche. Sie fuhr mit dem Finger

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