Die Landkarte der Liebe
Finn und Jess verstanden hatten. Es war schön, dass sie miteinander gesprochen hatten. »Das tut mir leid. Ich hätte es dir sagen sollen. Aber ich bin so überstürzt aufgebrochen und hab es selbst erst geglaubt, als ich im Flugzeug saÃ.«
»Ich wusste gar nicht, dass Katie Greene in ein Flugzeug steigt.«
»Sie auch nicht.«
»Und Ed war auch bei dir?«
»Ja, in Australien.« Sie zögerte kurz und presste die Lippen zusammen. »Also, die Wahrheit ist, wir haben uns getrennt. Ich habe das mit ihm und Mia herausgefunden.«
»Oh â¦Â«
»Mia hat es dir erzählt, oder?«
»Ja, sie hat mit mir darüber gesprochen.« Er seufzte. »Das tut mir leid. Du hast so viel mitgemacht.«
»War nicht gerade mein bestes Jahr.«
»Wie geht es dir damit? Ganz ehrlich?«
Katie überlegte. Im ersten Moment war sie am Boden zerstört gewesen. Aber wenn sie nun an Ed dachte, geschah das ohne den stechenden Schmerz in ihrer Brust. Im Laufe der letzten Wochen hatte sich sogar so etwas wie Erleichterung bei ihr eingestellt. »Eigentlich ganz okay. Am Ende hat mir Mia noch einen Gefallen getan.«
»Wie meinst du das?«
»Wirklich zusammengepasst haben wir nie, Ed und ich«, gab sie offen zu. »Aber das habe ich erst jetzt begriffen. Diese Sache hat mir die Augen geöffnet.«
»Also ein Schocktherapie-Gefallen?«
Sie lächelte. »Ganz genau.«
»Und bist du jetzt allein auf Bali?«
Ein Moped knatterte die StraÃe entlang, die stinkenden Abgase stiegen Katie in die Nase. »Ja.«
»Bist du auch vorsichtig und passt auf dich auf?«
»Ja.«
»Und wie gefällt es dir, zu reisen?«
»Es ist hart. Einsam. Aufregend.« In dem Moment drängte es sie, ihm zu sagen, wie sehr sie ihn vermisste, doch stattdessen sagte sie: »Es ist interessant, an die Orte zu kommen, an denen ihr gewesen seid.«
»Was sagst du zu Westaustralien?«
»Ich fandâs schön dort. Sehr karg, keine Frage, aber trotzdem unglaublich schön. Diese Weite ist überwältigend. Ich hab stundenlang im Bus gesessen, und uns ist kein anderes Auto begegnet. Das war schon beinah unheimlich.«
»Und was ist mit Bali?«
Sie schaute auf. Es wurde dunkel, und eine ängstliche Unruhe beschlich Katie. Sie würde auf Bali womöglich immer nur die Topografie von Mias letzten Wochen sehen. »Ich bin mir noch nicht sicher«, sagte sie und strich sich das Haar glatt. »Aber genug von mir. Erzähl mir, wie es dir geht.«
»Ganz ehrlich? Nicht gut. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie tot ist. Manchmal geh ich runter nach Porthcray und erwarte, dass sie jeden Moment auf mich zustürmt.«
Sie dachte an den unwirklichen Monat März, als sie Mia beÂÂgraben hatten, an den beiÃenden Wind und an Finn in seinem Anzug, sein Gesicht sonnengebräunt, aber eingefallen.
Das Telefon gab drei warnende Piepser von sich, das Geld war beinah aufgebraucht. Katie wühlte in ihrem Portemonnaie nach Münzen, doch sie hatte nur noch Scheine. »Hör zu, Finn, mir geht gleich das Geld aus. Ich hab eigentlich angerufen, weil ich dir was erklären wollte â¦Â«
»Schieà los.«
Sie hatte ihm so viel zu sagen. Womit sollte sie bloà anfangen? »Mias Tagebuch â es hat mir geholfen, zu verstehen.«
»Was denn?«
»Ich weià jetzt, warum sie nach Bali gekommen ist.« Sie machte eine Pause. »Du hast sie nicht allein gelassen.«
»Nein. Sie hat mich allein gelassen.«
»Ich hab dir nie die Gelegenheit gegeben, mir das zu erklären. Mir tut es leid, was bei der Beerdigung geschehen ist â«
»Du musst dich nicht entschuldigen«, sagte er entschieden. Der unbeschwerte Tonfall wich. »Mia war in meiner Obhut. Ich hätte dir sagen müssen, dass sie nach Bali geflogen war.«
»Nein, Finn â«
»Sie hätte niemals allein fahren dürfen.«
»Es war nicht deine Schuld.«
Seine Stimme klang flach, tonlos. »Nicht?«
Das Piepsen steigerte sich zu einem hohen Dauerton.
Katie suchte sich ein ruhiges Restaurant, bestellte Nudeln und sah, die Ellbogen aufgestützt, zu, wie ihr Essen kalt wurde. Gelegentlich fuhr sie mit der Gabel in ihrem Teller herum, die speckigen, aufgedunsenen Nudeln krümmten sich.
Sie hatte Finn im Kopf: wehmütige, zärtliche Erinnerungen an die gemeinsame Zeit â
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