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Die Landkarte der Liebe

Die Landkarte der Liebe

Titel: Die Landkarte der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Clarke
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Seifenblasen, die bei ihrem ersten Kuss leise an den Fingern platzten, sein vergnügtes Summen, wenn sie kochte, seine Lippen auf ihrer Stirn, wenn er morgens aufbrach und sie weiterschlafen ließ. Dann schoben sich andere Bilder da­­vor: Mia, über Finn gebeugt, als sie sich auf den Felsen liebten, ihr Grinsen, als sie sich in Wolken roten Staubs umarmten und Fallschirme vom Himmel schwebten, Mias wehendes Haar, als sie sich umdrehte und Finn sah, der am Flughafen von Perth auf sie wartete.
    Ein Kellner kam, in ausgetretenen schwarzen Schuhen, die er schon dünn poliert hatte. Er schaute auf ihren Teller und fragte: »Ist alles in Ordnung, Madam?«
    Aus reiner Höflichkeit aß sie einige Bissen, die kräftigen Gewürze blieben ihr im Hals stecken, dann zahlte sie und verließ das Restaurant.
    Sie ging mit selbstbewusstem, entschiedenem Schritt, so wie sie es auch in London nach Einbruch der Dunkelheit immer tat. Kurz vor dem Hostel überholte sie einen alten Mann mit milchig blauen Augen. Er hatte ein Seil um die Taille gebunden und zog einen Karren; seine Schultern waren gebeugt, seine Schritte klein und schleppend. Zwei Lampions erhellten den Wagen mit seinen Schätzen aus allerlei Muscheln: polierte Venusmuscheln, Spiegel mit Muschelrahmen, Kerzenhalter aus Perlmutt, Windspiele, von denen Meeresschnecken tropften.
    Katie fiel eine Kette ins Auge. Sie blieb stehen. Zahllose winzige, weiße Muscheln reihten sich an einem Faden auf. In der Mitte befand sich eine einzelne Perle. Katie lief es kalt über den Rücken: Es war fast die gleiche Kette, wie Mia sie bei ihrem Tod getragen hatte. Hast du die Kette hier gesehen, so wie ich? Musstest auch du dabei an die vielen Stunden denken, in denen wir nach Muscheln gesucht haben? Hat Noah neben dir gestanden? Warst du glücklich?
    Sie bezahlte die Kette und legte sie sich um den Hals. Die Muscheln waren kühl, Katie drückte einen Finger sanft auf die Perle, um sie zu wärmen.
    Als sie das Hostel betrat, musste sie in der Rezeption eine lärmende Gruppe umrunden. Sie ging die Treppe hinauf. Durch die dünnen Wände drangen Flüche, gefolgt von einem heftigen Poltern. Es klang, als ob jemand einen Tisch umgestoßen hätte. Katie nahm sich vor, ihre Tür sehr sorgfältig zu verriegeln, und war froh, dass sie ein Einzelzimmer hatte.
    Dann blieb sie stehen. Die Zimmertür war offen, in dem Holz unter dem Schloss zeigte sich eine dunkle Kerbe. Sie wirbelte herum, um sich zu vergewissern, dass es nicht der falsche Gang war, doch es war ihr Zimmer.
    Ihr Herz begann zu rasen. Vorsichtig wagte sie sich einen Schritt nach vorn. »Hallo?«
    Keine Reaktion. Sie tastete mit den Fingern um den Türrahmen herum und über die Wand, auf der Suche nach dem Lichtschalter. Dann wurde es hell. Der Vorhang wehte im Wind, eine Kakerlake huschte rasch in eine dunkle Ecke.
    Katies Blick überflog Boden, Bett und Tisch. Leer.
    Der Rucksack fehlte.
    Nur ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf: Mias Tagebuch.
    Hinter ihr schlug eine Tür zu, Katie fuhr herum. Ein junger Mann mit kahlem Schädel funkelte sie an. »Bei dir auch?«, sagte er mit schroffem, nordischem Akzent. »Diese Wichser.«
    Als er davonstürmte, bebte der Korridor.
    Katie schaute wieder in ihr Zimmer und fuhr sich mit einer Hand über die Augen, als ob sich so das Bild verscheuchen ließe. Doch der Anblick blieb der gleiche: Sie war bestohlen worden.
    Sie wich von der Schwelle zurück, drehte sich um und eilte die Treppe hinunter, die Kette schlug gegen ihr Brustbein.
    Â»Mein Rucksack! Er ist weg!«
    Die Betreiberin des Hostels verzog missbilligend das Gesicht. »Ja. Ja. Polizei kommt. Sechs Zimmer eingebrochen«, sagte sie und wies auf die anderen Gäste. Zwei Mädchen mit verquollenen Augen standen Arm in Arm da, ein Mann sprach wild gestikulierend in sein Handy, eine ältere Frau mit eingefallenen Wangen schrieb eine Liste auf einen Buchumschlag. »Tut uns leid. Sehr, sehr leid. Aber nicht Schuld von Hostel.«
    Â»Wer war das? Hat die Polizei sie schon gefunden?«
    Â»Viele Leute kommen her. Wir sehen nicht jedes Gesicht. Polizei wird finden.« Sie tippte auf einen Zettel, der auf der Theke lag. »Nummer für Polizei, okay?«
    Katie sah auf den Zettel, es war eine siebenstellige Nummer. »Das ist alles? Sonst bekomme ich keine Hilfe?«
    Die Wirtin zuckte mit den Schultern und wandte sich ab.
    Nein!

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