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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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das harte Metall der Waffen gewöhnten Hände auf meiner Haut spüren, schaudernd die erregende Langsamkeit und ehrerbietige
     Zärtlichkeit genießend, mit der sie meinen Körper erkunden. Wir legen uns auf das Bett, ohne unsere Blicke voneinander lösen
     zu können, und meine Hand tastet über deinen Bauch auf der Suche nach der Narbe, die Salomons Kugel hinterlassen haben muss,
     als er dich zu töten versuchte, doch bin ich wohl viel zu aufgeregt, um sie finden zu können. Dann werden deine begierigen
     feuchten Lippen meinen Körper erkunden, und nachdem du ihn bis in den letzten Winkel kartographiert hast, wirst du mit äußerster
     Behutsamkeit in mich eindringen, und ich werde dich spüren, wie du dich ganz langsam in mir bewegst. Doch trotz deiner Vorsicht
     werde ich plötzlich einen Stich in meinem Innern fühlen, einen stechenden Schmerz, der mir einen schwachen Protestlaut entlockt
     und mich sogar an deinen Haaren reißen lässt, obwohl er gleich wieder abklingt zu
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einem erträglichen und sogar erregenden Rauschen. Und dann ist mir, als würde etwas, das in mir geschlafen hat, endlich erwachen.
     Wie soll ich dir beschreiben, was ich in diesem Augenblick empfinden werde? Stelle dir eine Harfe vor, die zum ersten Mal
     Finger auf sich spielen fühlt und nicht ahnt, welche Klänge in ihr verborgen sind. Oder eine brennende Kerze, von der das
     schmelzende Wachs hinunterrinnt und unbekümmert von der oben brennenden Flamme die herrlichsten Muster auf den Fuß des Kerzenhalters
     malt. Was ich dir sagen will, Liebster , ist , dass ich nicht wusste, dass man so ein Gefühl jubelnder Erregung empfinden kann, welches in diesem Moment meinen ganzen Körper
     durchflutet und mein Inneres aufwühlt. Und obwohl die Sittsamkeit mich anfangs noch zwingt, die Zähne zusammenzubeißen und
     mein Stöhnen zu unterdrücken, gebe ich mich doch schon bald ganz dem Genuss hin, lasse mich mitreißen von der Flut eisigen
     Feuers, das meine Lust anfacht und das Erwachen meines Fleisches verkündet, und ich keuche und schreie und drücke dich fest
     an mich, halte dich verzweifelt im Joch meiner Beine, weil ich dich nie mehr loslassen will, weil du immer in mir bleiben
     sollst, weil ich nicht weiß, wie ich jemals habe leben können, ohne dich so voller Zärtlichkeit in mir verankert zu fühlen.
     Und wenn du dich nach dem letzten Aufbäumen zurückziehst und dabei eine Brombeerspur auf dem Laken hinterlässt, werde ich
     mich plötzlich unvollständig und verloren fühlen. Mit geschlossenen Augen werde ich das Glücksgefühl, dieses köstliche Echo
     deiner Gegenwart, noch ein wenig in mir zu halten suchen. Dann werde ich ermattet zurücksinken, einsam , aber auch unendlich dankbar, dass ich mich als ein Wesen erleben durfte, das nicht nur die höchst
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erhabenen, sondern auch die zutiefst irdischen Freuden zu genießen versteht. Ich werde meine Hand ausstrecken und deinen in
     Schweiß gebadeten Körper berühren, der immer noch bebt und brennt wie die Saiten einer Geige nach einem Konzert, werde dich
     voller Dankbarkeit anschauen, weil du mir gezeigt hast, wer ich bin und was ich noch nicht von mir kannte.
     
    Hin- und hergerissen zwischen Rührung und Staunen, musste Tom den Brief aus der Hand legen. Das war er gewesen, der solche
     Empfindungen wachgerufen hatte? An den Eichenstamm gelehnt, außer Atem fast, ließ er den Blick über die Felder schweifen.
     Für ihn war das Zusammensein mit dem Mädchen ein hübsches Erlebnis gewesen, das er in guter Erinnerung behalten würde; aber
     Claire sprach davon, als wäre es etwas Unauslöschliches, Erhabenes gewesen, machte es zum Grundstein der Kathedrale ihrer
     Liebe. Tom fühlte sich noch erbärmlicher als sonst, stieß einen Seufzer aus, nahm den Brief und las weiter:
     
    Gerade wollte ich anfangen, dir zu berichten, auf welche Weise ich in deine Epoche reisen werde, Derek , da fiel mir ein, dass du bei unserem Treffen im Teesalon ja noch nicht wusstest, wie wir das machen, und darum muss ich das
     Geheimnis für mich behalten, um den Ablauf der Dinge nicht zu stören. Es genügt, wenn du weißt, dass im vergangenen Jahr ein
     Schriftsteller namens H . G . Wells einen großartigen Roman mit dem Titel
Die Zeitmaschine
veröffentlicht hat und die Menschen danach nur noch von der Zukunft träumten. Und dass jemand sie uns gezeigt hat. Mehr kann
     ich dir nicht sagen. Aber ich will dich mit der
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Nachricht entschädigen, dass du deine Mission in meiner

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