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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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Mensch, der leider mit seinem Vater befreundet war und ihn schon
     von Kindesbeinen an kannte, der letztendliche Verursacher des zerstörerischen Krieges der Zukunft war, wie der junge Mann
     mit dem losen Mundwerk, dieser Winslow, scherzhaft behauptet |536| hatte. Aber es kostete ihn nichts, den Nachmittag mit einer Tüte Trauben auf der Bank zu verbringen und zu beobachten, ob
     sich irgendein verdächtiges Subjekt in der Nähe blicken ließ. Würde das der Fall sein, könnte er sich die Reise in die Zukunft
     wahrscheinlich sparen. Andererseits war es denkbar, dass Ferguson im Zeitgefüge des Universums keine andere Funktion hatte,
     als diese lächerlichen Pianolas herzustellen, und Hauptmann Shackleton sich inzwischen ganz woanders herumtrieb. Warum sollte
     er sonst diesen Bettler umgebracht haben? Was für ein Interesse konnte der Hauptmann an diesem armen Schwein haben? War es
     vielleicht ein Unfall gewesen, ein Zufallsopfer? Oder war die Leiche in der Anatomie entgegen allem Anschein ein entscheidendes
     Teil in diesem Zukunftspuzzle?
    Derartige Spekulationen faszinierten Garrett, doch er musste sie unterbrechen, als er sah, dass die Haustür aufging und Ferguson
     nach draußen trat. Der Inspektor erhob sich von der Bank, auf der er saß, und verbarg sich hinter einem Baum, von wo aus er
     deutlich alles beobachten konnte, was sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite abspielte. Ferguson blieb auf der Treppe
     stehen, setzte seinen steifen Hut auf und blickte mit dem stolzen Blick eines Eroberers um sich. Garrett sah, dass er elegant
     gekleidet war, und schloss daraus, dass er auf dem Weg zu einem Dinner oder Ähnlichem war. Nachdem er seine Handschuhe angezogen
     hatte, zog er die Haustür ins Schloss, stieg die paar Stufen hinunter und ging ohne Eile davon. Sein Ziel lag anscheinend
     ganz in der Nähe, sonst hätte er die Kutsche genommen. Garrett überlegte, ob er ihm folgen sollte. Doch noch bevor er zu einem
     Entschluss gekommen |537| war, hatte Ferguson das Ende seines Vorgartens erreicht, aus dessen Gebüsch jetzt lautlos eine Gestalt auftauchte. Sie trug
     einen langen Mantel und eine Mütze, die das Gesicht nicht erkennen ließ, doch Garrett brauchte es nicht zu sehen, um zu wissen,
     wen er vor sich hatte. Er selbst war am meisten überrascht, dass sein Verdacht sich als richtig erwies.
    In diesem Augenblick zog die Gestalt eine Waffe aus der Manteltasche und richtete sie auf Ferguson, der ahnungslos vor ihr
     ging. Garrett reagierte sofort. Er sprang hinter dem Baum hervor und rannte über die Straße, wohl wissend, dass das Überraschungsmoment
     seine beste Karte gegen jemand wie dem ihm an Größe und Kraft weit überlegenen Shackleton war. Das Geräusch seiner Schritte
     warnte die Gestalt, die ihn sichtlich bestürzt auf sich zurennen sah, jedoch weiter mit ausgestrecktem Arm auf den Spielzeugfabrikanten
     zielte. Garrett rammte den Hauptmann mit aller Kraft, schlang ihm seine Arme um den Leib, und beide flogen über die Hecke
     in den Vorgarten. Der Inspektor war überrascht, wie zart sich Shackleton anfühlte und wie leicht er ihn hatte zu Boden werfen
     können, doch dann erkannte er den Grund, als er in das Gesicht eines schönen Mädchens blickte, dessen Mund sich nur eine Kusslänge
     von seinem entfernt befand.
    «Miss Nelson?», stammelte er verblüfft.
    «Inspektor Garrett», rief das Mädchen ebenso überrascht.
    Mit rotem Gesicht stand Garrett hastig auf und half dem Mädchen auf die Beine. Der Revolver lag noch auf der Erde, doch niemand
     machte sich die Mühe, ihn aufzuheben.
    |538| «Sind Sie verletzt?», fragte der Inspektor.
    «Nein, mir geht es gut, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen», keuchte das Mädchen und machte ein ärgerliches Gesicht.
     «Gebrochen habe ich mir anscheinend nichts.»
    Lucy klopfte sich den Staub von den Kleidern und löste ihr Haar, das sie zu einem Knoten hochgesteckt hatte, der bei dem Sturz
     jedoch ziemlich derangiert worden war.
    «Tut mir leid, dass ich Sie angegriffen habe, Miss Nelson», entschuldigte sich Garrett, wie verzaubert von der herrlichen
     Fülle honiggoldenen Haares, das sich in Kaskaden über ihre Schultern ergoss. «Tut mir wirklich leid; aber Sie wollten auf
     Mr.   Ferguson schießen, oder?»
    «Natürlich wollte ich auf Mr.   Ferguson schießen, Inspektor! Nicht umsonst halte ich mich den ganzen Nachmittag hier versteckt», erwiderte Lucy mürrisch.
    Sie bückte sich, um den Revolver aufzuheben, doch Garrett

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