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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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kam ihr zuvor.
    «Es ist wohl besser, wenn ich ihn nehme», sagte er mit entschuldigendem Lächeln. «Und verraten Sie mir doch bitte, warum Sie
     auf Mr.   Ferguson schießen wollten.»
    Lucy senkte seufzend den Kopf und starrte einen Moment lang nachdenklich auf die Erde.
    «Ich bin nicht das oberflächliche Mädchen, für das alle mich halten, wissen Sie?», sagte sie mit aufgewühlter Stimme. «Ich
     sorge mich genau wie jeder andere um die Welt, in der ich lebe. Das wollte ich beweisen, indem ich den für den Krieg der Zukunft
     Verantwortlichen umbringe.»
    «Ich halte Sie nicht für ein oberflächliches Mädchen», gestand Garrett. «Nur ein ausgemachter Dummkopf kann so etwas denken.»
    |539| Lucy lächelte geschmeichelt.
    «Glauben Sie das wirklich?», fragte sie mit einem Anflug von Koketterie.
    «Aber gewiss, Miss Nelson», versicherte der Inspektor mit scheuem Lächeln. «Aber glauben Sie nicht, dass es bessere Methoden
     gibt, dies zu beweisen, als sich Ihre hübschen Hände mit Blut zu besudeln?»
    «Wahrscheinlich haben Sie recht, Mr.   Garrett», gab Lucy zu und betrachtete den Inspektor fasziniert.
    «Es freut mich, dass Sie das auch so sehen», sagte Garrett erleichtert.
    Sie schauten sich eine Weile ratlos an.
    «Und nun, Inspektor?», fragte das Mädchen schließlich mit unschuldiger Miene. «Werden Sie mich verhaften?»
    Garrett seufzte.
    «Das müsste ich eigentlich, Miss Nelson», antwortete er niedergeschlagen, «aber   …»
    Er verstummte und überdachte die Lage.
    «Ja?», fragte Lucy.
    «Ich werde die Angelegenheit vergessen, wenn Sie mir versprechen, nie wieder auf jemanden zu schießen.»
    «Oh, das verspreche ich Ihnen, Inspektor», rief sie jubelnd. «Und wenn Sie so freundlich wären, mir den Revolver zurückzugeben,
     könnte ich ihn wieder in die Vitrine legen, ohne dass mein Vater merkt, dass ich ihn herausgenommen habe.»
    Garrett zögerte, doch dann gab er ihr die Waffe. Als sie sie entgegennahm, streiften sich ihre Finger, und beide verharrten
     einen Moment in dieser köstlichen Berührung. Nachdem Lucy den Revolver eingesteckt hatte, räusperte sich Garrett.
    |540| «Erlauben Sie mir, Sie nach Hause zu begleiten, Miss Nelson?», fragte er, ohne sie anzusehen.
    «Es ist nicht ratsam für eine junge Dame, um diese Zeit allein durch die Stadt zu laufen, auch wenn sie eine Waffe in der
     Tasche hat.»
    Bezaubert von Garretts Angebot, lächelte Lucy ihn an.
    «Gewiss», antwortete sie, «Sie sind sehr freundlich, Inspektor. Außerdem habe ich es nicht weit, und es ist eine schöne Nacht.
     Das wird sicher ein angenehmer Spaziergang.»
    «Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel», antwortete Garrett.

|541| XXXV
    Am nächsten Morgen kaute Inspektor Colin Garrett in der Stille seines Büros geistesabwesend an seinem Frühstück. Offensichtlich
     war er mit den Gedanken bei Lucy Nelson, ihren herrlichen Augen, ihrem goldenen Haar und ihrem bezaubernden Lächeln, mit dem
     sie ihm erlaubt hatte, ihr zu schreiben. In diesem Moment betrat ein Beamter sein Zimmer und überreichte ihm ein vom Premierminister
     unterzeichnetes Schreiben, in dem er aufgefordert wurde, in die Zukunft zu reisen und einen Mann zu verhaften, der noch gar
     nicht geboren war. In seiner Verliebtheit wurde dem Inspektor die Bedeutung des Schreibens erst gänzlich bewusst, als er bereits
     in der Kutsche saß, die ihn zu der Firma ZEITREISEN MURRAY brachte.
    Als Garrett die Schwelle dieses Unternehmens zum ersten Mal überschritt, hatte er es mit zitternden Knien und den Ersparnissen
     seines Vaters getan, die ihm einen Traum erfüllten: eine Fahrkarte in die Zukunft, eine Reise ins Jahr 2000.   Dieses Mal jedoch tat er es entschlossenen Schritts, obwohl das Papier in seiner Jackentasche mindestens ebenso unglaublich
     war: ein Haftbefehl, der, genau besehen, für einen Geist ausgestellt worden war. Aber Garrett war sich sicher, dass dieser,
     wenn Zeitreisen etwas Alltägliches geworden waren, nur der erste einer langen Liste ähnlicher |542| Befehle wäre, mit denen Polizisten in verschiedenen Epochen Verhaftungen vornähmen, vorausgesetzt, die ihnen zugrundeliegenden
     Verbrechen wären innerhalb einer bestimmten räumlichen Grenze verübt worden: dem Stadtgebiet von London nämlich. Als der Premierminister
     seine unleserliche Unterschrift auf das Papier gesetzt hatte, das er in seiner Tasche trug, hatte er, ohne es zu wissen, einen
     historischen Schritt getan, ein neues Zeitalter eingeläutet. Garrett

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