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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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zu feiern, denn schon wenige
     Tage später sprach das Königshaus vor. Jawohl, die Königin höchstselbst hat meine bescheidene Wenigkeit in ihren Palast bitten
     lassen. Ich war schon darauf gefasst, meinen Kopf zu verlieren, die gerechte Strafe für mein betrügerisches Vorgehen zu empfangen,
     doch zu meiner Überraschung hatte Ihre Majestät ganz anderes im Sinn. Sie wollte, dass ich ihr eine private Zeitreise ins
     Jahr 2000 organisierte.»
    Wells starrte ihn offenen Mundes an.
    «Ja, sie und ihr Hofstaat wollten den Krieg der Zukunft erleben, von dem ganz London sprach. Wie Sie sich vorstellen können,
     war ich nicht sehr begeistert von der Idee. Nicht nur weil ich das ganze Spektakel gratis würde inszenieren müssen, sondern
     weil es angesichts der Bedeutung unseres Publikums auch absolut vollkommen und fehlerfrei über die Bühne gehen musste, das
     heißt, nicht ein Schatten von Unglaubwürdigkeit durfte ihm anhaften. Zum Glück ging alles gut. Ich glaube sogar, dass wir
     unsere beste Vorstellung ablieferten. Das Gesicht Ihrer Majestät beim Anblick des zerstörten London sprach für sich. Doch
     am nächsten Tag ließ sie mich wieder in den Palast bitten. Wieder glaubte ich, mein Betrug wäre aufgeflogen, und wieder kam
     ich aus dem Staunen nicht heraus, als sich herausstellte, dass Ihre Majestät mir eine großzügige Spende zukommen lassen wollte,
     damit ich weitergehende |578| Forschungen betreiben konnte. Ja, Sie haben richtig gehört, die Königin erklärte sich bereit, meine Lüge zu finanzieren. Sie
     wollte, dass ich weitere Zeitlöcher zugänglich machte, neue Wege in andere Epochen erschlösse. Aber das war noch nicht alles.
     Sie wollte auch, dass ich ihr einen Palast in der vierten Dimension erbaue, eine Art Sommerresidenz, in der sie sich längere
     Zeit aufhalten könnte, um so ihr Leben zu verlängern und sich dem gierigen Griff der Zeit zu entziehen. Natürlich nahm ich
     an. Was hätte ich sonst tun sollen? Allerdings ist der Palast noch nicht fertig, er wird es auch nie werden. Sie können sich
     vorstellen, warum?»
    «Ich nehme an, dass die dauernden Angriffe der schrecklichen Drachen, die in der vierten Dimension leben, die Arbeiten verzögern»,
     antwortete der Schriftsteller mit offenkundigem Abscheu.
    «Genau», bestätigte Gilliam breit grinsend. «Ich sehe, Sie beginnen die Regeln des Spiels zu verstehen, Mr.   Wells.»
    Der Schriftsteller tat ihm nicht den Gefallen, über seine Bemerkung zu lachen. Vielmehr richtete er seine Aufmerksamkeit auf
     den Hund, der einige Schritte von ihnen entfernt hartnäckig im Geröll scharrte.
    «Die Tatsache, dass Ihre Majestät meine Lüge geglaubt hatte, erfreute nicht nur meine Geldbörse, sondern nahm mir auch ein
     für alle Mal jede Beunruhigung. Ich machte mir keine Sorgen mehr um die Briefe der Wissenschaftler, die regelmäßig in den
     Zeitungen erschienen und mich als Betrüger verdächtigten, die andererseits aber ohnehin kein Mensch zur Kenntnis nahm. Nicht
     einmal der Schweinehund, der mir die Hauswand mit Kuhdung beschmierte, |579| kümmerte mich noch. Tatsächlich gab es jetzt nur noch einen, der mich entlarven konnte: Sie, Mr.   Wells. Da Sie es aber bisher noch nicht getan haben, nehme ich an, dass Sie es auch weiterhin nicht tun werden. Und ich muss
     Ihnen gestehen, dass mir Ihre Haltung Bewunderung abnötigt. Es ist die Haltung eines Gentlemans, der weiß, wann er ein Spiel
     verloren hat.»
     
    Mit einem prahlerischen Lächeln setzte der Unternehmer seinen Weg fort und bedeutete Wells mit einer Kopfbewegung, ihm zu
     folgen. Sie verließen den Platz und begaben sich schweigend in eine der von Trümmern übersäten Straßen, gefolgt von Gilliams
     Hund.
    «Haben Sie einmal über den wahren Sinn des Ganzen nachgedacht, Mr.   Wells?», fragte der Unternehmer. «Hätte ich dies alles hier nicht als das wirklich existierende Jahr 2000 ausgegeben, sondern
     es stattdessen als simple Theateraufführung inszeniert, basierend auf einem von mir selbst geschriebenen Buch, hätte ich nichts
     Verbotenes getan. Und genauso viele wären gekommen, um es sich anzusehen. Aber ich versichere Ihnen, hinterher, zu Hause,
     hätte sich keiner der Besucher irgendwie besonders gefühlt, würde niemand die Welt aus etwas anderer Sicht betrachten. Eigentlich
     gebe ich ihnen nur einen Traum. Finden Sie es nicht betrüblich, dass ich dafür bestraft werden kann?»
    «Man müsste Ihre Kunden fragen, ob sie bereit wären, dasselbe Geld für

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