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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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des Königreichs alle geheißen hatten, darin geschlafen oder ihre Begegnung mit dem Gespenst abgewartet hatten.
     Er fand jedoch keine Zeit mehr, den Raum nach Einschusslöchern zu untersuchen, da Marcus in diesem Moment an einer Wandlampe
     zog, woraufhin sich das falsche Wandregal in der Mitte öffnete und den Blick auf einen dahinterliegenden Saal freigab.
    Der Zeitreisende ließ seine Leibwächter vortreten und Lampen anzünden, und erst als der Raum beleuchtet war, bat er seine
     Gäste einzutreten. Als James und Stoker zögerten, übernahm Wells die Initiative und betrat den geheimnisvollen Ort mit vorsichtigen
     kurzen Schritten. Gleich neben der Tür standen zwei ausladende Tische aus Eichenholz, beide bedeckt mit einem Wust von Büchern, |626| Heften und Zeitungen; zweifellos der Platz, an dem der Zeitreisende die Physiognomie des Jahrhunderts studierte, um möglichen
     Schwindeleien auf die Spur zu kommen. Am anderen Ende des Saals entdeckte Wells jedoch etwas, das seine Aufmerksamkeit weit
     mehr erregte. Es sah aus wie ein riesiges Spinnennetz aus verschiedenfarbigen Schnüren, an denen Zeitungsausschnitte hingen.
     James und Stoker hatten das Gebilde ebenfalls bemerkt, auf das der Zeitreisende jetzt zuging und sie mit einer Kopfbewegung
     aufforderte, ihm zu folgen.
    «Was soll das sein?», fragte Wells, als er ihn erreicht hatte.
    Marcus lächelte.
    «Die Landkarte der Zeit», antwortete er mit sichtlichem Stolz.
    Der Schriftsteller sah ihn erstaunt an, dann heftete er seinen Blick wieder auf das von den Schnüren gewebte Gebilde und unterzog
     es einer genaueren Betrachtung. Was von ferne wie ein Spinnennetz ausgesehen hatte, wies bei näherem Hinsehen eher die Form
     einer liegenden Tanne oder Fischgräte auf. Eine von Wand zu Wand reichende, etwa einen Meter über dem Boden gespannte weiße
     Kordel diente als Leitschnur. Andere Schnüre in den Farben Grün und Blau gingen von der weißen Schnur ab und waren mit Nägeln
     an den Seitenwänden befestigt. Alle diese Schnüre sowie die Hauptkordel waren mit Zeitungsausschnitten behängt. Wells trat
     mit eingezogenem Kopf durch sie hindurch, um sich die Flut von Meldungen anzusehen. Nachdem Marcus Zustimmung signalisiert
     hatte, taten es ihm seine Kollegen nach.
    «Die weiße Kordel», erklärte der Zeitreisende, «stellt |627| das ursprüngliche Universum dar, so wie es existierte, bevor die Zeitreisenden anfingen, in der Vergangenheit herumzupfuschen.
     Das Universum, so wie ich es zu erhalten habe.»
    An einem Ende der weißen Kordel entdeckte Wells eine Fotografie, deren Hochglanz seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie war
     überraschenderweise in Farbe und zeigte ein majestätisches Gebäude aus Stein und Glas unter einem makellos blauen Himmel.
     Das musste die Bibliothek der Wahrheit sein. Am anderen Ende der Kordel baumelte ein Zeitungsausschnitt, der von der Schließung
     des Restaurationsprojekts berichtete und von der Bestätigung des Gesetzes zum Verbot der Vergangenheitsmanipulation. Zwischen
     diesen beiden Meldungen hingen unzählige andere Zeitungsausschnitte, die von offenbar wichtigen Ereignissen kündeten. Viele
     davon waren Wells bekannt, von einigen, wie dem Aufstand von Indien oder dem sogenannten Blutigen Sonntag, hatte er sogar
     noch selbst in der Zeitung gelesen. Doch je weiter die Schnur in die Zukunft führte, desto unverständlicher wurden ihm die
     Berichte. Schwindel erfasste ihn, als er sich klarmachte, dass er von Ereignissen las, die noch gar nicht stattgefunden hatten;
     Ereignisse, die in den Windungen des Zeitenlaufs auf ihn warteten und von denen die meisten unerklärlich und ausgesprochen
     düster waren.
    Wells warf einen Blick auf seine Kollegen, um festzustellen, ob diese Mischung aus Erregung und Bedrückung, die ihn gefangen
     hielt, auch bei ihnen zu erkennen war. Stoker schien von einem Zeitungsausschnitt so in Anspruch genommen zu sein, dass er
     wie hypnotisiert darauf starrte, und James hatte sich nach einem oberflächlichen Blick |628| auf das Ganze desinteressiert abgewandt, als sei ihm die vorgeführte Zukunft viel zu unheimlich und ungemütlich. Der Amerikaner
     schien froh zu sein, dass der Tod es ihm ersparen würde, sich in einer Welt bewegen zu müssen, deren Schrecklichkeiten, an
     einer Kordel aufgehängt, vor seiner Nase baumelten. Wells versuchte ebenfalls seinen Blick von der Wäscheleine voller Zeitungsmeldungen
     zu lösen, da er die Auswirkungen des Wissens um die Zukunft auf sein

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