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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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ein Nachbar Ihre Leiche gefunden haben wird.»
    James nickte betrübt, weil ihm vielleicht zum ersten Mal die grenzenlose Einsamkeit bewusstwurde, die sein Leben bestimmte
     und die seinen Tod zu einem verschwiegenen Ereignis machen würde, von dem die Welt nichts mitbekam.
    |639| «Dass ich Sie hier zusammengerufen habe, ist wohl das, was man eine letzte verzweifelte Maßnahme nennt, Gentlemen, denn mir
     fällt nichts anderes ein, Ihren Tod zu verhindern, als Sie dabei um Ihre Mitarbeit zu bitten. Ich darf wohl annehmen, dass
     Sie sie mir nicht verweigern werden.»
    «Selbstverständlich nicht», stieß Stoker hastig hervor, dem die Aussicht, in wenigen Tagen tot zu sein, körperliches Unbehagen
     zu bereiten schien. «Was sollen wir tun?»
    «Oh, das ist ganz einfach», sagte Marcus. «Solange dieser Frost nicht im Besitz Ihrer Manuskripte ist, kann er Sie nicht umbringen.
     Daher möchte ich vorschlagen, dass Sie sie so schnell wie möglich mir übergeben. Schon morgen, wenn möglich. Dieses simple
     Manöver wird eine weitere Abzweigung in der jetzigen Zeitlinie hervorrufen, da Frost Sie nicht ermorden wird. Sobald die Manuskripte
     in meinem Besitz sind, werde ich ins Jahr 1899 zurückreisen und die Wirklichkeit noch einmal genau überprüfen, um dann zu
     entscheiden, wie mein nächster Schritt aussehen wird.»
    «Das scheint mir ein guter Plan zu sein», antwortete Stoker. «Gleich morgen bringe ich Ihnen mein Manuskript.»
    James versprach, dasselbe zu tun; und obwohl Wells den Eindruck hatte, das Ganze sei eine reine Schachpartie zwischen Marcus
     und diesem Frost, in dem sie selbst nur die Bauern waren, blieb ihm nichts anderes übrig, als ebenfalls zuzustimmen. Er war
     auch viel zu verwirrt, als dass er darüber hätte nachdenken können, ob es noch eine andere Möglichkeit als die von Marcus
     vorgeschlagene gab. Er würde also morgen sein Romanmanuskript mitbringen, obwohl die Tatsache, dass der Zeitreisende diesen
     Frost |640| damit aufhalten konnte, ihm noch keine Garantie dafür bot, weiterhin unbesorgt Fahrrad fahren zu können, solange er die Sache
     mit Gilliam Murray nicht geregelt hatte. Und dazu war es erforderlich, dass er Inspektor Garrett half, Marcus festzunehmen,
     den Mann, der ihm das Leben retten wollte.
     
    Wenn es etwas Schwierigeres gab, als einen Zeitreisenden festzunehmen, dann war dies zweifellos, zu so früher Morgenstunde
     in London eine Kutsche aufzutreiben. Fast eine ganze Stunde trieben sich James, Stoker und Wells in der Gegend von Berkeley
     Square herum, ohne mehr als einen Blick auf einen in der Ferne vorbeipreschenden Zweispänner zu erhaschen. So beschlossen
     sie, bis Piccadilly zu laufen. Sie tauchte dann so plötzlich aus dem dicken Nebel auf, dass sie erschraken. Der Kutscher saß
     dösend auf dem Bock und wäre an ihnen vorbeigefahren, wenn sich ihm nicht ein rothaariger Riese armwedelnd in den Weg gestellt
     und das wahrscheinlich seinem Stall zustrebende Pferd zum Stehen gebracht hätte. Nach dem gewagten Haltemanöver vergingen
     weitere lange Minuten, bis die Schriftsteller dem Kutscher klarmachen konnten, welchen Weg er zu fahren hatte: zuerst zu Stokers
     Haus, dann zu dem Hotel, in dem James abgestiegen war, und schließlich aus London hinaus nach Woking, wo Wells wohnte. Als
     der Kutscher durch mehrfaches Blinzeln und Ausstoßen eines Knurrlauts zu erkennen gab, dass er die Route begriffen hatte,
     stiegen die drei in die Kutsche und sanken seufzend in die Sitze, als hätten sie endlich den rettenden Strand erreicht, nachdem
     sie mehrere Tage, an einen Balken geklammert, auf See getrieben waren.
    |641| Wells sehnte eine Verschnaufpause herbei, um über alles nachdenken zu können, was in den letzten Stunden passiert war. Doch
     als er sah, dass Stoker und James sich über ihre Romane zu unterhalten begannen, wurde ihm klar, dass er sich noch eine Weile
     würde gedulden müssen. Es störte ihn keineswegs, dass sie ihn nicht in ihr Gespräch einbezogen, er war sogar ganz froh darüber.
     Offenbar hatten sie einem, der mit einem Küchenmesser bewaffnet zu Verabredungen kam, nichts zu sagen. Er selbst interessierte
     sich nicht im Geringsten für das, was die beiden zu besprechen hatten, und so versuchte er, ihre Unterhaltung zu ignorieren
     und sich in die Betrachtung des eindrucksvoll wallenden Nebels draußen zu vertiefen. Schon bald jedoch musste er feststellen,
     dass Stokers Stimme, so sie vor Furcht nicht kleinlaut war, zum Dröhnen neigte, vor

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