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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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erweiterte Zeitkarte mit von der weißen Kordel abzweigenden gelben Schnüren vor, und das so
     vor seinen Augen entstehende Gespinst von Fäden und Welten, die allein vom freien Willen der Menschen geschaffen wurden, nahm
     ihm schier den Atem.
    Das Eintreffen der Kutsche vor seinem Haus riss ihn aus seinen Gedanken. Er gab dem Kutscher ein großzügig bemessenes Trinkgeld
     und stieg aus, öffnete das Gartentörchen und fragte sich, ob er noch ins Bett gehen sollte oder nicht und welche Auswirkungen
     das eine oder das andere auf das Zeitgefüge haben mochte.
    In diesem Moment erblickte er die Fremde mit dem flammenden Haar.

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    Sie war schlank und bleich, und das Haar floss wie ein glühender Lavastrom über ihre Schultern. Sie betrachtete ihn mit demselben
     unwirklichen Blick, der ihm schon vor einigen Tagen aufgefallen war, als sie bei Marcus’ drittem Opfer unter den Neugierigen
     gestanden hatte.
    «Sie?», rief Wells.
    Das Mädchen sagte nichts, ging nur mit schwebenden Schritten auf ihn zu und überreichte ihm einen Brief. Etwas verwirrt nahm
     er ihn aus schneeweißer Hand entgegen.
Für H . G . Wells . Auszuhändigen in der Nacht des 26.   November 1896
las er auf dem Umschlag. Das Mädchen war also eine Art Botin.
    «Lesen Sie, Mr.   Wells», wisperte sie, und der Klang ihrer Stimme erinnerte an wehende Gardinen. «Ihre Zukunft hängt davon ab.»
    Nach diesen Worten wandte sich die Frau zum Gehen. Wells stand starr wie ein Totem. Als er wieder reagieren konnte, lief er
     hinter ihr her.
    «Warten Sie, Miss   …»
    Er hielt mitten im Lauf inne. Die Frau war verschwunden, einzig ihr Duft hing noch in der Luft. Dabei hatte Wells das Quietschen
     des Torriegels gar nicht gehört. Sie musste sich buchstäblich in Luft aufgelöst haben.
    |646| Minutenlang stand er da, lauschte dem Herzschlag der Nacht und nahm den Duft der Fremden in sich auf, dann ging er ins Haus.
     Jedes Geräusch vermeidend, ging er ins Wohnzimmer, machte die Leselampe an und setzte sich in seinen Sessel. Er war noch immer
     verwirrt von der Erscheinung der jungen Frau, die er, wäre sie nur zwanzig Zentimeter groß und im Besitz von Libellenflügeln
     gewesen, für eine dieser Feen gehalten hätte, an die Doyle glaubte. Wer war sie? Wie hatte sie so urplötzlich verschwinden
     können? Aber es war unsinnig, die Zeit mit solchen Fragen zu vertun, wenn die Antwort darauf wahrscheinlich in dem Umschlag
     zu finden war, den er in Händen hielt. Er riss ihn auf und zog einige engbeschriebene Blätter heraus. Ein kalter Schauer lief
     ihm den Rücken hinab, als er die Schrift erkannte. Mit bebendem Herzen begann er zu lesen:
     
    Lieber Bertie,
     
    wenn du diesen Brief in Händen hältst, habe ich recht behalten, und man wird in Zukunft durch die Zeit reisen können. Ich
     weiß nicht, wer dir den Brief überbringen wird, aber sei versichert, dass er von deinem und von meinem Blut ist, denn wie
     du an der Schrift erkannt haben wirst, bin ich du. Ein Wells aus der Zukunft. Mit diesem Gedanken musst du dich anfreunden,
     bevor du weiterliest. Und da ich weiß, dass die Tatsache einer identischen Handschrift für dich kein ausreichender Beweis
     sein kann, weil jede halbwegs geschickte Person sie nachmachen könnte, will ich versuchen, dich zu überzeugen, indem ich dir
     etwas erzähle, von dem außer dir kein anderer weiß. Wer , außer dir, könnte wissen, dass das Weidenkörbchen in der Küche
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mehr als nur ein Körbchen ist? Reicht dir das als Beweis, oder muss ich vulgär werden und daran erinnern, dass du während
     der Ehe mit deiner Cousine Isabel masturbiert und dabei an die nackten Skulpturen im Kristallpalast gedacht hast? Entschuldige , dass ich diese peinliche Episode zur Sprache bringe, aber ich bin sicher, dass du sie ebenso wenig wie das Körbchen, in dem
     du Tomaten und Paprika aufbewahrst, in einer zukünftigen Biographie erwähnen wirst, womit hinreichend bewiesen sein dürfte,
     dass ich kein Hochstapler bin, der dein Leben aus Büchern kennt. Nein , ich bin du, Bertie . Nur wenn du das akzeptieren kannst, hat es Zweck, dass du weiterliest.
    Jetzt will ich dir erzählen, wie du zu ich wirst. Wenn ihr morgen zu Marcus geht, um ihm eure Manuskripte zu übergeben, werdet
     ihr eine böse Überraschung erleben. Alles , was euch der Zeitreisende erzählt hat, ist falsch; nur dass er ein großer Bewunderer eurer Romane ist, stimmt . Darum wird er sich ein Lächeln nicht verkneifen können, wenn ihr ihm

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