Die Landkarte der Zeit
die Möglichkeit einer Reise in die Vergangenheit in Betracht.»
«Ebendarum, Mr. Winslow. Stellen Sie sich vor, Gentlemen, Sie bauen eine Zeitmaschine, die Erfindung des Jahrhunderts. Aufgrund ihrer unglaublichen
Macht müssen Sie |168| sie natürlich geheim halten; vermeiden, dass sie in unbefugte Hände fällt. Aber könnten Sie der Versuchung widerstehen, Ihre
Erfindung der Welt bekannt zu machen? Ein Roman könnte das perfekte Medium sein, Ihr Geheimnis zu verbreiten, ohne dass ein
Mensch auf die Idee käme, es könne mehr als nur Fiktion sein, meinen Sie nicht? Oder, wenn das Motiv der Eitelkeit Sie nicht
zufriedenstellt, stellen Sie sich vor, dass er nicht nur sein Ego zu befriedigen sucht. Vielleicht ist
Die Zeitmaschine
nur ein Hilferuf, eine ins Meer geworfene Flaschenpost für jemanden, der sie zu interpretieren weiß. Alles ist möglich. Jedenfalls
hat Wells die Möglichkeit einer Reise in die Vergangenheit und die Möglichkeit, diese zu verändern, in Betracht gezogen, Mr. Harrington; und ich vermute, dass es auch das ist, was Sie bewegt.»
Andrew erschrak, als wäre er bei einem Vergehen ertappt worden. Gilliam schenkte ihm ein spöttisches Lächeln und wühlte dann
in einer seiner Schreibtischschubladen. Als er gefunden hatte, was er suchte, warf er ein Exemplar des
Science Schools Journal
von 1888 auf den Tisch. Auf der Titelseite des zerblätterten Hefts stand:
Unterwegs in die Welt von morgen
von H. G. Wells. Er gab es Andrew und bat ihn, vorsichtig damit umzugehen, da es sich um eine vergriffene Ausgabe handle.
«Vor genau acht Jahren, als frisch in London eingetroffener junger Mann, der die Welt erobern wollte, veröffentlichte Wells
eine Erzählung mit dem Titel
Unterwegs in die Welt von morgen
, in der es um einen verrückten Wissenschaftler namens Moses Nebogipfel ging, der in die Vergangenheit reiste, um einen Mord
zu begehen. Vielleicht war Wells der Meinung, damit zu weit gegangen zu sein, |169| und beschloss, die Reisen in die Vergangenheit in seinem Roman nicht zu thematisieren, um seine Leser nicht auf komische Gedanken
zu bringen, und sich nur auf eine Reise in die Zukunft zu konzentrieren, deren Held seinen Verstand mehr beisammenhat als
Nebogipfel, dessen Name im Roman aber nie erwähnt wird, wie Sie wissen werden. Wahrscheinlich konnte Wells diesem augenzwinkernden
Hinweis nicht widerstehen.»
Andrew und Charles sahen sich an und dann Gilliam Murray, der etwas auf einen Block kritzelte.
«Dies ist die Adresse von Mr. Wells», sagte er und gab Andrew den Zettel. «Sie verlieren nichts, wenn Sie herauszufinden versuchen, ob meine Vermutungen
richtig sind.»
|170| X
Sie verließen das Gebäude von ZEITREISEN MURRAY in einem Rosenduft schwebend, der die ganze Eingangshalle ausfüllte. Auf der
Straße bestiegen sie die erste Kutsche, die sie fanden, und gaben dem Kutscher die Adresse in Woking, in der Grafschaft Surrey
an, wo der Schriftsteller H. G. Wells wohnte. Das Gespräch mit Gilliam Murray hatte Andrew in grüblerisches Schweigen verfallen lassen, doch da die Fahrt
mindestens drei Stunden in Anspruch nehmen würde, sah Charles keine Notwendigkeit, ihn zum Reden zu drängen. Lieber ließ er
seinem Cousin die Zeit, die dieser brauchte, um seine Gedanken wieder zu sammeln. Er hatte heute schon allzu viele Gefühlseindrücke
verkraften müssen, und weitere standen bevor. Seine Beziehung zu Andrew war ohnehin geprägt von häufigen und nicht vorhersehbaren
Phasen des Schweigens, in denen er gelernt hatte, sich entspannt zurückzulehnen, sodass er jetzt die Augen schloss und sich
vom Schaukeln der der Hauptstadt enteilenden Kutsche einlullen ließ.
Die beiden jungen Männer mochte die Stille nicht stören, aber ich nehme an, Sie, die Sie gewissermaßen ja auch in der Kutsche
mitreisen, wohl. So werde ich Ihnen also nichts über die Beschaffenheit und Qualität dieser nur vom Knarren der Kutsche gestörten
Stille erzählen, Ihnen auch |171| nicht die Hinterteile der Pferde beschreiben, auf denen Andrews selbstvergessener Blick ruhte. Und da ich Ihnen nicht einmal
halbwegs spannend berichten kann, was in seinem Kopf vorgeht, wo die Möglichkeit, Marie Kelly zu retten immer vager wird,
weil man zwar offenbar durch die Zeit reisen, aber nicht das gewünschte Ziel anvisieren kann, will ich diese geschehnislose
Zeit nutzen, Ihnen etwas nachzureichen, was vom Beginn her noch anhängig ist und das nur ich Ihnen erzählen
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