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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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Hausbesitzerin, das der Augustwind
     durchs Fenster zu ihm hereintrug, erzählte Wells flüssig, und dann wieder stolpernd, von dem Eindringen seines Erfinders in
     eine ferne Welt.
    Als der Roman schließlich im Mai 1895 unter dem Titel
Die Zeitmaschine
erschien, verursachte er großes Aufsehen. Bis August hatte Heinemann sechstausend Taschenbücher und eintausenfünfhundert gebundene
     Ausgaben drucken lassen. Wells war nun Erfolgsautor geworden und hatte nichts Eiligeres zu tun, als sämtliche auffindbaren
     Exemplare seiner
Argonauten der Zeit
zu verbrennen, dieser jugendlichen Verirrung, als die er sie ansah. Man sollte nicht entdecken, dass die Vollkommenheit, für
     die man
Die Zeitmaschine
lobte, das Ergebnis eines langen Umhertastens gewesen war. Danach versuchte er seinen Ruhm zu genießen, wenngleich ihm dies
     nicht leichtfiel. Er war jetzt ein Erfolgsautor, gewiss, aber ein Erfolgsautor mit einer großen Familie, die ernährt werden
     wollte. Da er und Jane geheiratet und in ein Haus mit Garten in Woking gezogen waren – den Weidenkorb wie ein Küken unter
     Hühnern unter all den Hutschachteln von Jane   –, konnte Wells sich keine Verschnaufpause leisten.
    Wie ein Zauberer aus seinem Zylinder zog Wells aus dem Weidenkorb seinen nächsten Roman mit dem Titel
Der Besuch
hervor. Er erzählte darin, wie in einer schwülen Augustnacht ein Engel vom Himmel fiel und in den Niederungen eines Dörfchens
     namens Sidderford landete. Genau wie die Handlung des Romans
Die Insel des Dr.   Moreau
, |216| den er knapp zwei Monate später schrieb, war auch diese nicht sein geistiges Eigentum. Trotzdem sah Wells die Ausbeutung nicht
     als eine solche an, sondern eher als seine ganz eigene
hommage
an den außergewöhnlichen Joseph Merrick, der zwei Jahre nach der unvergesslichen Einladung zum Tee auf genau die schreckliche
     Weise gestorben war, die Dr.   Treves vorausgesagt hatte. Und gewiss war seine Würdigung rücksichtsvoller als die des Chirurgen, der, wie Wells gehört hatte,
     das deformierte Skelett in einem eigens im London Hospital eingerichteten Museum zur Schau stellte.
    Und
Die Zeitmaschine
, diese Wirrschrift, der er so viel verdankte, erreichte dasselbe vielleicht für ihn. Wer konnte das wissen! Bislang hatte
     sie ihm mehr als nur eine Überraschung bereitet, sagte er sich und dachte dabei an die Zeitmaschine, die, identisch mit der,
     die er im Roman beschrieben hatte, jetzt auf seinem Dachboden stand.
     
    Das Abendrot hatte die Welt in ein kupferfarbenes Licht gehüllt und alles veredelt, was von ihm beschienen wurde, einschließlich
     Wells, der still in der Küche saß wie eine aus Teig geknetete Skulptur seiner selbst. Er schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen
     zu verscheuchen, und öffnete den Umschlag, den er am Nachmittag im Briefkasten gefunden hatte. Was er in Händen hielt, war
     eine Werbebroschüre der Firma ZEITREISEN MURRAY, dabei ein Kärtchen, auf dem Gilliam Murray ihn einlud, an der dritten Reise
     ins Jahr 2000 teilzunehmen. Wells biss die Zähne zusammen, um nicht laut loszufluchen, zerknüllte die Broschüre und schleuderte
     sie von sich, wie er es kurz zuvor mit der Zeitschrift getan hatte.
    |217| Das zusammengeknüllte Papier flog durch die Luft und landete im Gesicht eines Mannes, der da eigentlich gar nicht stehen sollte.
     Verblüfft betrachtete Wells den Eindringling. Es war ein elegant gekleideter junger Mann, der sich über die Wange strich,
     wo die zerknitterte Papierkugel ihn getroffen hatte, und der nun tadelnd den Kopf schüttelte. Etwas hinter ihm erkannte Wells
     eine zweite Gestalt, deren Gesichtszüge denen der ersten so sehr glichen, dass die beiden auf irgendeine Weise miteinander
     verwandt sein mussten. Der Schriftsteller betrachtete den ihm zunächst Stehenden und fragte sich, ob er ihn um Verzeihung
     bitten sollte, weil er ihn mit einer Papierkugel beworfen hatte, oder ihn fragen, was zum Teufel er in seiner Küche verloren
     hatte. Er kam aber weder zum einen noch zum andern, denn der junge Mann kam ihm zuvor.
    «Mr.   Wells, nehme ich an», sagte er, indem er seinen Arm hob und mit einem Revolver auf ihn zielte.

|218| XIV
    Ein junger Mann mit dem Gesicht eines Vögelchens. Diesen Eindruck hatte Andrew vom Autor der
Zeitmaschine
, des Romans, der ganz England auf den Kopf gestellt hatte, während er selbst wie ein Gespenst durch die Grünanlagen des Hyde
     Park gestrichen war. Vor der Haustür hatte Charles, anstatt anzuklopfen, ihn hastig zur

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