Die Landkarte der Zeit
schütteln. Kurz nach Auftauchen des Korbs erhielt er die wissenschaftliche
Lehrbefähigung mit Auszeichnung in Zoologie, begann an der Fernuniversität Biologieunterricht zu erteilen, bekleidete den
Rang des Chefredakteurs beim
University Correspondent
und schrieb Artikel und Kurzgeschichten für die
Educational Times
. Mit diesen Tätigkeiten verdiente er in kurzer Zeit so viel Geld, dass er rasch sein Selbstvertrauen wiederfand und sich
von der Enttäuschung erholte, die der geringe Widerhall seiner Erzählung ausgelöst hatte. Er gewöhnte sich an, dem Korb allabendlich
seine Aufwartung zu machen, indem er ihm einen langen, liebevollen Blick schenkte und mit den Fingern das feste Geflecht seiner
Weidenruten streichelte, ein einfaches Ritual, das er vor Jane verheimlichte und das ausreichte, seinen Geist so zu entzünden,
dass er sich unbesiegbar fühlte, voller Kraft, imstande, den Atlantik zu durchschwimmen oder einen Tiger mit bloßen Händen
niederzuringen.
Doch Wells war es nur für kurze Zeit vergönnt, sich an seinem Erfolg zu erfreuen. Denn sobald die Mitglieder |208| seiner verkommenen Familie herausfanden, dass der kleine Bertie dabei war, ein wohlhabender Mann zu werden, betrauten sie
ihn damit, für seinen missratenen und bedrohten Anhang zu sorgen. Wells protestierte erst gar nicht, sondern übernahm ergeben
die Rolle des Clanwächters, da er ja wusste, dass kein anderer in der Familie dazu imstande war. Seine Marathonstrecken an
Unterricht abzuhalten und zugleich die kopflose Brut des nach billigem Tabak und verschüttetem Bier stinkenden Irrenhauses
in Zaum zu halten forderte von Wells eine Anstrengung, die in blutigem Erbrechen auf den Stufen des Charing-Cross-Bahnhofs
endete.
Die Diagnose war eindeutig: Tuberkulose. Zwar erholte er sich bald, doch der Anfall war eine Warnung gewesen: Das Leben durchwachter
Nächte und übermäßiger Arbeit musste aufhören, wenn er nicht wollte, dass der nächste Anfall mehr als nur eine Warnung sein
würde. Mit seinem Sinn fürs Praktische akzeptierte Wells dies. Er wusste, dass er unter günstigem Wind genügend Überlebensenergie
freisetzen konnte, und fasste eine neue Lebensstrategie ins Auge. Er ließ das Unterrichten und widmete sich fortan einzig
dem Schreiben, was ihm erlaubte, ohne Zeitdruck zu Hause zu arbeiten und so das beschauliche Leben zu führen, das er seiner
labilen Konstitution schuldete. Eine Zeitlang glaubte Wells, dieses wohltuende zurückgezogene Dasein werde ab jetzt sein Leben
ausmachen, doch er irrte sich ein weiteres Mal. Es war nur ein Scheinfrieden. Der Zufall, so schien es, hielt ihn für eine
seiner beweglichsten Marionetten, denn wieder änderte er den Kurs seines Lebens, nur dass er diese neue Richtungsänderung
mit dem sympathischen Anstrich unheilbarer Liebe versah.
|209| Amy Catherine Robbins, von Wells Jane genannt, war eine ehemalige Schülerin von ihm, mit der er in der Schule freundlichen
Umgang gepflegt hatte und die er auf dem gemeinsamen Stück Wegs zu Charing Cross, wo sie ihre jeweiligen Züge nahmen, mit
seiner Wortgewandtheit bezauberte, ohne je mehr damit gewinnen zu wollen als das eitle Vergnügen, ein so hübsches und anbetungswürdiges
Mädchen nur mit Worten in seinen Bann ziehen zu können. Diese angenehmen Gespräche ohne jeden Vorsatz zeitigten jedoch unerwartete
Folgen. Seine Ehefrau Isabel wies ihn darauf hin, als sie an einem Wochenende aus Putney heimkehrten, wohin Jane und ihre
Mutter sie eingeladen hatten. Sie behauptete, egal ob er es darauf angelegt habe oder es rein zufällig passiert sei, dieses
Mädchen jedenfalls sei rettungslos in ihn verliebt. Wells konnte nur eine Augenbraue heben, als seine Frau ihn anflehte, sich
nicht mehr mit der Exschülerin zu treffen, wenn er ihre Ehe nicht aufs Spiel setzen wolle. Die Wahl zwischen einer Gattin,
die seinen Zärtlichkeiten nichts abgewinnen konnte, und einer lachenden, anscheinend ungehemmten Jane fiel ihm nicht schwer,
und so packte Wells seine Bücher, seine Sachen und den Weidenkorb ein und zog in ein elendes Loch am Mornington Place, in
einem heruntergekommenen Viertel im Nordwesten von London, an der Grenze von Euston und Camden Town. Sein Beweggrund war eine
spielerische Neugier auf Janes schlanken Körper gewesen, der sich unter ihren Kleidern so verführerisch abzeichnete, mehr
aber noch die Möglichkeit, ein ganz anderes Leben führen zu können als jenes, dessen unveränderliche
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