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Die Landkarte des Himmels

Die Landkarte des Himmels

Titel: Die Landkarte des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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Gelegenheit erzählten wir uns, was wir erlebt hatten, bevor wir auf Primrose Hill zusammentrafen. Ich berichtete vom Untergang des Zerstörers, den die Kampfmaschinen mühelos zusammengeschossen hatten, und Wells erzählte für Shackleton, den Kutscher und mich, was seine Gruppe erlebt hatte. So erfuhr ich, dass sie von Horsell nach London gekommen waren, immer die Kampfmaschinen auf den Fersen, und es in die Stadt geschafft hatten, als der Verteidigungsring noch intakt war. Doch die Irrfahrt, die sie durch die Stadt gemacht hatten, war mir dann doch zu kompliziert, als dass ich sie in dem Moment genau hätte nachvollziehen können. Das einzig Außergewöhnliche, das ihnen zugestoßen war: Sie hatten einen Marsmenschen getroffen. Auf meine neugierige Frage hin begannen sie ihn mir zu beschreiben, was leider überhaupt nicht dazu führte, dass ich mir ein Bild von ihm machen konnte, da sie sich über sein Aussehen selbst nicht einig waren. Mein Eindruck war, dass die Marsbewohner wie schreckliche Monster aussahen; doch am schockierendsten schien mir die Tatsache, dass sie menschliche Gestalt annehmen konnten. Wells argwöhnte sogar, dass die Marsmenschen schon länger auf der Erde lebten, vielleicht schon seit Jahrhunderten, und sich als Menschen ausgaben. Dann wäre es vielleicht sogar möglich, dass ich dem einen oder anderen schon mal die Hand geschüttelt hätte, scherzte ich, denn einige meiner Bekannten hätten derart exotische Manieren, dass sie ohne weiteres von anderen Planeten stammen könnten; niemand lachte jedoch über meinen Scherz. Das machte aber nichts, da mich im Ganzen ein Glücksgefühl durchwogte, das mich unsere Gruppe als vom Schicksal erwähltes Häuflein sehen ließ, dazu bestimmt, die Menschheit und ihren Planeten zu retten.
    Als die Unterhaltung erlosch, zündete ich mir eine Zigarette an und suchte mir ein Plätzchen, wo ich ungestört rauchen konnte. Ich wollte ein paar Minuten allein sein, um in Ruhe über unsere Lage nachzudenken. Zu unserer Rechten entdeckte ich einen kleineren Tunnel, der immer geradeaus bis in den Hinterhof der Unendlichkeit zu führen schien. Ich ging hinein, hatte jedoch nicht die Absicht, mich weit zu entfernen. Nach einigen Schritten stieß ich auf eine angelehnte Tür, die ich neugierig aufdrückte. Ich ging einen Schritt hinein und stand in einer Abstellkammer, in der Werkzeug und Baumaterial gestapelt war. Ich warf einen Blick in die Runde, um zu sehen, ob vielleicht etwas Brauchbares für uns dabei war, entdeckte aber nichts; oder, was dasselbe war: Alles hätte unseren Zwecken dienlich sein können, da ich nicht die geringste Vorstellung davon hatte, was wir brauchen konnten. Schließlich hockte ich mich auf eine fast mannshohe Kiste, rauchte und dachte an das staunende Gesicht, das Victoria machen würde, wenn sie mich statt mit der Armee aus der Zukunft mit dieser bunt gewürfelten Truppe in den Keller einmarschieren sähe und hören müsste, dass unser Plan darin bestand, aus London zu fliehen, und zwar durch die stinkende Kanalisation.
    In diesem Moment hörte ich Stimmen und näher kommende Schritte. Offenbar hatte jemand das gleiche Bedürfnis nach Alleinsein wie ich. Ich stieß eine Verwünschung aus. Die Kanalisation bestand aus einem endlosen Labyrinth von Tunneln; aber da musste sich jemand ausgerechnet den aussuchen, in den ich mich zurückgezogen hatte. Ich schüttelte den Kopf, wie ein Hund sich schüttelt, wenn er nass geworden ist, um den Ausdruck von Verärgerung loszuwerden, der mir sicher ins Gesicht geschrieben stand. Dann setzte ich ein harmloses Lächeln auf, falls man beschließen sollte, ebenfalls die kleine Abstellkammer zu besuchen. Glücklicherweise hielten die Schritte vor der Tür, und niemand machte Anstalten, hereinzukommen. Die Stimmen verrieten mir, dass es sich um Murray und die amerikanische Lady handelte.
    «Gilliam», sagte Miss Harlow gerade, «Sie sind ungerecht zu Hauptmann Shackleton. Was Sie über ihn wissen, gibt Ihnen nicht das Recht, so mit ihm zu reden.»
    Das war ein für mich überraschender Vorwurf. Was hatte Emma damit gemeint, und was wusste Murray von dem Hauptmann? Ich spitzte die Ohren.
    «Ich glaube nicht …», begann Murray.
    «Ihre Bemerkungen sind verletzend, Gilliam, und vor allem ungerecht», unterbrach ihn Emma, die seine Einwände offenbar nicht gelten lassen wollte. «In dieser Situation brauchen wir alle einen Grund, um weiterzumachen. Egal welchen.»
    «Ich habe schon einen guten Grund, um

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