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Die Landkarte des Himmels

Die Landkarte des Himmels

Titel: Die Landkarte des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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ließen …»
    «Emma Harlow!» Murrays Stimme klang so herrisch, dass ich in meinem Versteck beinahe Haltung angenommen hätte. «Sie sollen wissen, dass die letzten Tage die glücklichsten meines unnützen und absurden Lebens gewesen sind. An Ihrer Seite zu sein; Sie trösten zu können, wenn Sie weinten; Sie zum Lachen zu bringen; manchmal Ihren Unmut heraufzubeschwören oder einfach nur in Ihre Augen zu schauen …»
    «Meine auch.»
    «All das ist für mich so wundervoll gewesen, Emma! Und damit das alles passieren konnte, mussten erst ein paar Marsmenschen aus dem All kommen und unseren Planeten verwüsten. Herzlich willkommen, Fremde! Diese Invasion ist das Beste, was mir überhaupt je zugestoßen ist.»
    «Zum Glück bin ich diesmal derselben Meinung wie Sie», erwiderte Emma lachend.
    «Und es stört mich nicht im Geringsten, wenn Sie meine Worte für grausam halten … Was? Warten Sie … Was haben Sie da eben gesagt? Meine auch?»
    Das Lachen der Lady nahm mir schier den Atem. Mein Gott, wie konnte so ein zierlicher Mensch ein derart bezauberndes Lachen haben!
    «Oh, Gilliam, Gilliam …» Die junge Dame erstickte fast an ihrem Lachen. «Das versuche ich Ihnen doch die ganze Zeit schon zu sagen … Für mich waren es auch die glücklichsten Tage meines Lebens …» Sie konnte vor Lachen kaum weitersprechen. «Ist das nicht verrückt? Um uns herum geht die Welt unter, und wir …»
    «Heiliger Himmel! Und wir freuen uns darüber!» Nun brach auch Gilliam in Gelächter aus.
    «Ja, ja … unsere glücklichsten Tage …! O mein Gott, bitte!»
    «Und ich …», Murrays Gelächter dröhnte wie eine heranrauschende Flut durch den Tunnel. «Und ich mache Ihnen Vorwürfe wie ein abgewiesener Verehrer … derweil …»
    «Derweil um uns herum die Welt zum Teufel geht!» Das Lachen der beiden tanzte in der Luft umeinander wie Glühwürmchen in der Dunkelheit.
    «Aber das ist verrückt … total verrückt … oder? Ist das nicht vollkommen absurd?» Emma sprach unter reizenden Aufschluckern, fand langsam zur Ernsthaftigkeit zurück, während ich lebhaft nickte vor lauter Erleichterung, dass einer von den beiden endlich wieder zu Verstand kam. «Schauen Sie sich um, Gilliam. Die Marsmenschen legen London in Schutt und Asche, und uns fällt nichts Besseres ein, als über die Liebe zu reden, wie auf einer Tanzveranstaltung … Oh, Gilliam …» Ihre Stimme klang mit einem Mal betrübt. «Ob ich in Sie verliebt bin oder nicht macht gar keinen Unterschied. Sehen Sie das nicht?»
    «Nein, das sehe ich nicht. Klären Sie mich bitte auf. Sie erinnern sich gewiss: Ich bin ein
petit imbécile

    «Himmel!», rief Emma in gespielter Verzweiflung, was beinah einen neuen Lachanfall hervorrief. «Ich hoffe nur, vor Ihnen zu sterben, denn ich kenne keinen unmöglicheren Mann, mit dem ich eine Marsinvasion überleben möchte.»
    «Ach, ja? Und ich kann mir nur einen Grund vorstellen, warum ich mit einem so arroganten, kaltschnäuzigen und starrköpfigen Mädchen wie Sie überleben möchte.»
    Emma schien ihn mit den Augen nach diesem Grund zu fragen, da sie vielleicht fürchtete, ihre Stimme könne den Sturm der Gefühle verraten, dem sie sich zweifellos ausgesetzt sah. Murrays Worte klangen wie in die Luft gemeißelt.
    «Um Sie einmal küssen zu können, ohne fürchten zu müssen, dass der berühmte Schriftsteller H. G. Wells oder der Spezialagent von Scotland Yard Cornelius Clayton uns dabei stören.»
    Nach einigen Sekunden angespannter Stille hörte ich das Lachen der jungen Dame hervorsprudeln, und es klang so ansteckend, dass sogar ich in mich hineinlachen musste, obwohl ich Murrays Scherz nicht unbedingt verstanden hatte. Dann wurde das perlende Lachen abrupt unterbrochen. Man musste nicht besonders intelligent sein, um zu ahnen, dass die neuerliche Stille im Tunnel daher rührte, dass Murray sich entschlossen hatte, Emma zu küssen, ohne darauf zu warten, bis sie die letzten Überlebenden auf der Erde waren, und trotz der Gefahr, die Wells und Clayton immer noch darstellten. Nach einigen Sekunden vernahm ich ein leises Keuchen aus dem Munde der jungen Dame, ein Seufzen beinahe, und dann das Rascheln von Stoff, wenn zwei Körper sich langsam voneinander lösen.
    «Ich liebe Sie, Gilliam», hörte ich Emma sagen. «Ich liebe Sie so, wie ich niemals geglaubt hätte, einen Mann lieben zu können.»
    Wie soll man den schwingenden Ton beschreiben, in dem sie das sagte? Wie könnte ich mit meinem jämmerlichen

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