Die Lange Erde: Roman (German Edition)
Vorstellung von Gesellschaft, authentischer, unbestreitbar menschlicher Gesellschaft, wirkte wie elektrisierend auf ihn. Socken, feste Stiefel … »Alles klar, ich bin so weit. Ich gehe runter. Was ist das für ein Feuer, Lobsang? Haben es Menschen angezündet?«
»Sieht ganz so aus, ja. Sie gönnt sich gerade ein Sonnenbad zwischen den Dinosauriern.«
»Dinosaurier? Sie? Beim Sonnenbad?«
»Das musst du dir selbst ansehen. Aber sei vorsichtig, Joshua. Die Dinos sehen einigermaßen freundlich aus, zumindest einige von ihnen. Aber sie könnte durchaus beißen …«
Neben dem Fahrstuhl gab es jetzt noch eine zweite Möglichkeit, auf den Boden zu kommen, ein hochtechnologisches Gerät, das aus einem alten Autoreifen (aus einer mit allem möglichen Gerümpel vollgestellten Abstellkammer im geräumigen Frachtraum des Luftschiffs), einem langen Seil und einem einfachen Panikknopf auf Joshuas Brustbeutel bestand, mit dem man den Reifen herabrufen oder – was eindeutig wichtiger war, falls man gerade gejagt wurde – sehr schnell nach oben befördern konnte. Nach seiner Begegnung mit den mörderischen Elfen fühlte sich Joshua mit dieser Rückversicherung wesentlich sicherer und bestand in der letzten Zeit immer darauf, dass der Reifen dicht über dem Erdboden schwebte, bereit, im Notfall sofort nach oben zu sausen.
Jetzt wurde er wieder einmal auf eine neue Erde hinabgelassen. Eine Erde, auf der es angeblich einen anderen Menschen gab … irgendwo. Er konnte es förmlich spüren. Tatsächlich. Die Anwesenheit von Menschen verlieh einer Welt für Joshua ein völlig anderes Gefühl.
Lobsang hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, Joshua ein Stück vom Einsatzort entfernt abzusetzen, damit er sich vorsichtig nähern konnte.
Das war wesentlich klüger, als aus heiterem Himmel mitten in der Szenerie aufzuschlagen. Also schwebte das Luftschiff am Rande der Flussmündung entlang, wo es nur wenige Bäume gab, ein paar Büsche, Sumpfland und kleine Seen. Die Luft war frisch, aber es ließ sich darin auch eine Mischung aus Salzwasser und dem feuchten Verrottungsgeruch vom Saum des Dschungels ausmachen – dazu kam ein dezenterer, trockener Geruch, den Joshua auf seinem Weg nach unten nicht genauer definieren konnte. Der dichte Wald schob sich bis zum Rand dieser schlammigen Ebene vor, ergoss sich förmlich vom höher gelegenen Land im Süden herab. Die Rauchfahne stieg irgendwo weiter im Inland auf.
Joshua ließ sich ein Stück vom Ufer entfernt im Wald absetzen. Sobald er festen Boden unter den Füßen hatte, marschierte er los, machte sich, aufmerksam um sich blickend, auf den Weg in Richtung des Rauches. »Es riecht … irgendwie vertrocknet. Nach Rost. Wie im Reptilienhaus eines Zoos.«
»Diese Welt könnte sich sehr von der Datum unterscheiden, Joshua. Wir haben uns auf dem Baum der Möglichkeiten schon sehr weit ins Astwerk vorgewagt.«
Der Wald lichtete sich und gab einen Uferabschnitt preis, der an träge dahinfließendes Wasser grenzte. Auf einem Felsvorsprung dicht am Wasser traf Joshua auf eine Herde massiger, fetter robbenartiger Kreaturen, die faul in der Sonne lagen, ungefähr ein Dutzend von ihnen, darunter auch Jungtiere. Ihre schweren Leiber waren von streng in einer Richtung wachsenden blonden Haaren bedeckt; sie hatten kleine, fast schon konische Köpfe mit schwarzen Augen, kleinen Mäulern und flachen schimpansenhaften Nasenflügeln. Es waren Robben mit humanoiden Gesichtern. Der Papagei auf Joshuas Schulter, der seit seinem Einsatz als Keule längst wieder repariert war, surrte und summte fleißig vor sich hin.
Die Robbenwesen bemerkten den Besucher lange, bevor er zu nahe kommen konnte. Sie hoben die Affenköpfe, drehten sie in seine Richtung, stießen Alarmrufe aus, kletterten von den Felsen herunter und glitten über den Sand aufs Wasser zu, wobei die Jungen hinter den Erwachsenen herwatschelten. Joshua sah, dass ihre Glieder ein Mittelding zwischen affenähnlichen Armen und Beinen und richtigen Flossen waren, komplett mit Stummelhänden, zwischen deren Fingern und Zehen Schwimmhäute zu sehen waren. Sie glitten ohne Mühe ins Wasser, wo sie sich allem Anschein nach anmutiger als an Land bewegen konnten.
Plötzlich spritzte weißes Wasser auf, und ein Oberkiefer von der Größe eines kleinen Bootes hob sich aus dem Wasser. Die Robbenwesen schossen quiekend und wild um sich schlagend in höchster Panik auseinander.
»Krokodil«, murmelte Joshua. »Egal wo man hinkommt.« Er hob einen flachen Stein
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