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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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jetzt die Schlange vor dem Geldautomaten erreicht und reihten sich ein. „Ich zeige euch, wie das geht. Dann könnt ihr das nächste Mal euer Geld alleine holen!“
    Hanif beobachtete interessiert die Menschen vor ihnen in der Reihe, die sich aus dem Automaten Geld holten. „Wenn man bedenkt, Meister Jojo, wie die Menschen bei uns auf den Feldern sich abrackern müssen, wenn sie ein paar Schuhe oder Kleidung kaufen wollen! Und hier holen die Menschen das Geld einfach aus einem Automaten!“
    „Ja, seltsam ist das schon, Hanif“, antwortete Jojo, „andererseits haben sie hier auch gar keine Felder, auf denen sie arbeiten könnten!“
    „Ja, das stimmt! Daran habe ich noch gar nicht gedacht!“
    Als sie an der Reihe waren, zeigte Jutta ihnen den Umgang mit der Karte und dem Automaten. Sie steckte das Geld ein und gab Jojo die Karte und den Zettel mit der Geheimzahl zurück. „Wenn wir Schuhe kaufen, ist es das Beste, wenn ich erst einmal bezahle. Danach gehen wir einen Kaffee trinken, und ich erkläre euch dann den Wert unseres Geldes! Ist das in Ordnung so?“
    Gleich hinter dem Geldautomaten kamen sie an einem Bettler vorbei, der auf einem Stück Pappe saß und vor sich einen Hut liegen hatte. Er mochte wohl um die Vierzig sein, trug eine Sonnenbrille und war seit mehreren Tagen nicht mehr rasiert. Jutta griff in die Tasche, durchsuchte ihr Kleingeld und ließ ein Geldstück in den Hut fallen.
    „Hoffentlich nicht wieder so viel Indianergeld wie beim letzten Mal, Gnädigste! Denken Sie bitte daran, ich spare auf eine Eigentumswohnung! Und ich bin durch einen Bandscheibenvorfall gezeichnet. Das Kleingeld kann mir meine Gesundheit ruinieren, wenn es meine Taschen so ausbeult!“
    „Ich bin immer wieder von deiner Dankbarkeit gerührt“, meinte Jutta schlagfertig, „so gibt man dann auch gerne!“
    Sie gingen an mehreren Lokalen und Cafes vorbei, an denen die Menschen draußen an den Tischen saßen. Sie überquerten eine Kreuzung und steuerten auf ein Schuhgeschäft zu. Jutta ging voran und öffnete die Tür. „So, ihr beiden“, meinte sie, „schaut euch um und sucht euch aus, was euch gefällt. Ich setze mich hier hin! Wenn ihr Hilfe benötigt, sagt Bescheid!“
    Jojo und Hanif schauten sich in den Regalen um und redeten leise miteinander. Dann kam Hanif zurück. „Jutta, gibt es auch Geschäfte, wo es zwei Schuhe von einer Sorte gibt, was sollen wir mit zwei verschiedenen Schuhen!?“ Jutta klärte Hanif auf, der wiederum Jojo informierte und beide setzten ihre Suche fort. Während Jojo bei den Trekking-Sandalen landete, hatte Hanif ein Auge auf die hochhackigen Cowboystiefel geworfen. Jutta erhob sich und reichte ihm einen langen Schuhanzieher. „Damit zieht man sie an, Hanif!“ Dann ging sie zu Jojo: „Sollen es die sein? Dann setz´ dich!“ Jutta zog Jojo die Sandale an und erklärte ihm den Klettverschluss. Sie verlangte die zweite Sandale von der Verkäuferin und ließ Jojo ein paar Schritte laufen. Die Sandalen passten. Als sich Jutta wieder Hanif zuwandte, humpelte dieser gerade auf einem Cowboystiefel durch die Regalreihe. Auch hier sorgte Jutta für Abhilfe, und wenig später stolzierte Hanif wie ein o-beiniger Hahn auf beiden Stiefeln durch den Laden. Er war durch die Absätze um mehrere Zentimeter gewachsen. Sie ließen sich ihre alten Sandalen einpacken und schlenderten dann nach Hause zurück. Sie mussten jetzt noch langsamer gehen, da Hanif auf seinen Cowboystiefeln noch einige Schwierigkeiten hatte. Erschöpft und glücklich nahmen sie an einem der Tische auf der Piazza Platz. Beim portugiesischen Galao und Pastelarias machte Jutta beide mit dem Wert der einzelnen Scheine und Münzen vertraut.
    „Jetzt verstehe ich auch, warum der Taxifahrer so freundlich war!“, meine Hanif.
    „An diesem Sonnabend gehen wir alle aus der Wohngemeinschaft zum Heimspiel von Pauli , meinte Jutta nach dem geschäftlichen Teil, „das ist Tradition hier im Schanzenviertel. Und es ist gleichzeitig auch unsere Therapie. Dort verarbeiten wir die restlichen Konflikte, die sich in einer WG so aufstauen und sich nicht durch Reden und Diskutieren bereinigen lassen. Wohl aber durch gemeinsame Begeisterung, Schreien und Biertrinken. Ihr müsst natürlich mitkommen. Es wird euch bestimmt gefallen!“
    „Um was geht es denn da?“, hakte Hanif ein.
    „Um Fußball!“
    „Was ist Fußball?“
    „Sport!“
    „Was ist Sport?“
    Jutta hatte sich gerade eine Zigarette angezündet, und als sie Hanifs Blicke sah,

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