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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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was dazu gehört! Eben Leid und Glück! Und das Leben muss auch sie geliebt haben, denn sie hat ja ein stattliches Alter erreicht! So müssen wir bei aller Trauer unserem Herrgott auch dankbar sein, dass wir so lange mit ihr zusammen sein durften! Amen!“
    Dann stimmte das kleine Streichorchester das Ave Maria an, und es wurden ein paar Tränen vergossen und in die Taschentücher geschnäuzt.
     
    In einem Nebenraum der Kapelle herrschte dagegen beim Bestattungsinstitut Marquardt große Aufregung und Panik. Einer der Trauermänner und Sargträger war kurzfristig ausgefallen. Und ausgerechnet Kurt, ein Bär von einem Mann, der für solche Lasten, wie sie selbst noch Käthchens sterbliche Hülle darstellte, geradezu geschaffen war, wenn er seine 2 Promille justieren konnte. Aber leider gab es auch Tage, an denen sich Kurt nicht beherrschen konnte. Und einer dieser Tage musste wieder gestern gewesen sein. Solche Einbrüche - jenseits der
2 Promille - erklärte Kurt stets damit, dass er eigentlich nur ein Quartalssäufer sei, der hin und wieder über die Stränge schlüge. Und Herr Marquardt, Bestattungsunternehmer in der vierten Generation, wünschte an dieser Stelle Kurt wieder einmal zum Teufel. Endgültig und das letzte Mal. Andererseits, wenn der Kerl dabei wäre, der könnte den Sarg fast alleine tragen. Ich werde noch einmal darüber schlafe , dachte sich Marquardt, bevor ich ihn vielleicht endgültig rausschmeiße! Er ließ seinen Blick zu dem kleinen Mann in grüner Latzhose schweifen, der auf dem Kopf eine Art Knoten trug wie die Spitze einer Pagode: „Hanif, es hilft alles nichts! Ziehe dich um und mach dich fertig, Kurt kommt nicht! Du gehst wieder hinten links!“
     
    Und so war die Sorge der Trauergäste, die hinter dem Sarg schritten, um den hinteren Sargträger auf der linken Seite weitaus größer, als um die Verstorbene, denn man hatte Hanif schon in der Kapelle erkannt, als er mit den anderen Trauermännern feierlich den Eichensarg zu schultern versuchte. Aufgrund seiner geringen Größe war der Trauerzug mit dem Sarg arg linkslastig, und Pastor Carlsen und der Bestattungsunternehmer Marquardt schickten mehrere Stoßgebete zum Himmel, dass der Sarg und sein Inhalt unbeschadet sein Ziel erreichen möge. Hanif gab sein Bestes, wenn es manchmal auch so aussah, als würde ein Fliegengewichtler eine unmenschliche Last über den Kopf stemmen. Doch dann schwenkte Pastor Carlsen ungewohnt flotten Schrittes vom Hauptweg zum geöffneten Grab ab, und Bestattungsunternehmer Marquardt mit Zylinder legte schwer atmend beim Absetzen des Eichensarges auf der hinteren linken Seite selbst mit Hand an. Von da an lief der Rest der Zeremonie in ungestörter Harmonie ab. Die Sargträger kamen langsam wieder zu Atem. Hanif wischte sich den Schweiß, der ihm unter seinem mittelalterlichen Hut über das Gesicht strömte, mit dem Ärmel ab.
     
    Auf dem Grabstein war das Sterbedatum von Käthchen frisch eingemeißelt. Jeder nahm die Schaufel in die Hand und warf Erde auf den Sarg von Käthchen. Die Trauerkränze wurden abgelegt. Olga Schäfer hatte es sich trotz geringer Rente nicht nehmen lassen, ein eigenes Gesteck als „Letzten Gruß für mein Käthchen“ beizusteuern.
     
    Es ist nie eindeutig geklärt worden, ob es immer noch der Schweiß oder gar die Tränen waren, die über Hanifs Gesicht liefen, als sie den Sarg hinabließen. Jedenfalls zog ihn einer der Sargträger sofort hinter die Rhododendronbüsche, nachdem die Trauergemeinde sich in Richtung des Friedhofsrestaurants „Letzte Einkehr“ entfernte, und hielt ihm seinen aufgeschraubten Flachmann hin: „Mensch, Hanif! Das ist das erste Mal, dass einer von uns heult! Du bist ja völlig mit den Nerven fertig! Nimm erst mal einen tüchtigen Schluck!“

Schlaf bedeutet zu sehen, was lokalen Raum ausfüllt.
    Erwachen bedeutet zu erkennen,
    dass Raum nichts anderes als Raum einnimmt,
    und das alles andere ihm nur entliehen ist.
                                                                                        Jan Cox

Herbstanfang oder wie Meister Jojo Hanif über das Wesen der Dinge aufklärt.
     
    Jojo und Hanif lebten schon seit zwei Wochen in Käthchens Zimmern. „Ich finde das ja echt krass, dass ihr beide in den Räumen einer Toten mit ihren ollen Möbeln lebt! Also, ich finde das ätzend! Nervt euch das überhaupt nicht?“, wunderte sich Lissy.
     
    „Weißt du, Lissy“,

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