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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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Stresemannchaussee hat sich telefonisch für morgen Abend angekündigt. Er hat von Käthchens Tod erfahren. Und nun haltet euch fest: sie hat ein Testament hinterlassen. Marmel sagt, sein Büro sei nicht groß genug für uns alle, darum kommt er vorbei!“
     
     
    Notar Erwin Marmel erschien, wie angekündigt, am nächsten Abend gegen 19.00 Uhr. Er war ein beleibter, rotgesichtiger Mann um die Fünfzig, der gerne lachte. Er nahm an der Stirnseite des Küchentischs Platz und kramte aus seiner altmodischen Aktentasche einen großen braunen Umschlag hervor, auf der Käthchens schwungvolle Handschrift zu erkennen war. Er schaute vergnügt in die Runde und meinte: „Es ist furchtbar trocken hier. Ich bin übrigens zu Fuß unterwegs, es darf also ruhig Bier und Schnaps sein!“ Marlies stellte ihm ein Flasche Bier, ein Schnapsglas, den Weinbrand und einen Aschenbecher für seine Zigarre hin. „Ich sage dann mal Prost!“, meinte er und setzte sich, nachdem er das Schnapsglas geleert hatte, umständlich eine randlose Nickelbrille auf. Er überprüfte mit Kennermine noch mal das Etikett der Weinbrandflasche, schenkte sich ein weiteres Glas ein und räusperte sich: „Dann wollen wir mal! Ich kenne das Testament übrigens, Käthchen hat es mit mir abgesprochen! Wir werden jetzt alle unseren Spaß haben. Also! …..
     
    «Meine Lieben!
    Natürlich ahne ich beim Schreiben meines Testaments, dass meine große Leidenschaft - das Essen - auch für meinen Tod verantwortlich gewesen sein wird, wenn ich nicht gerade vom Bus überfahren worden bin. So muss es auch bei Leidenschaften sein. Wenn jemand seine Leidenschaften beherrscht, dann sind das überhaupt keine Leidenschaften! Und natürlich habt ihr mit euren Vorwürfen auch immer recht gehabt, dass ich stets weit mehr als meinen Anteil am Haushaltsgeld beim Essen vertilgt habe. Vergebung!!
     
    So vermache ich denn als Wiedergutmachung mein gesamtes Vermögen, wenn man denn überhaupt davon sprechen kann, dem „Cafe Lindenblüte“ als Gutschrift für euch. Jeder von euch, kann dort so oft und so viel essen und trinken, wie er will, bis das Guthaben verbraucht ist. Das alles ist nicht ganz uneigennützig von mir, denn wir ihr wisst, führt „Lindeblüte“ nur Sachen, die dick machen!»“
     
    An dieser Stelle begann Erwin Marmel zu kichern, erst verhalten, dann immer heftiger, bis er zu brüllen anfing und sein Kopf einer Leuchtdiode glich. Er wischte sich die Tränen aus den Augen, dann las er kichernd weiter:
     
    «Lasst es euch also dort gut ergehen, esst und trinkt vernünftig und denkt dabei ein wenig an euer Käthchen! Das Leben muss ja weiter gehen! Um meine übrigen Sachen, einschließlich der Möbel, meiner Koch- und Diätbücher, dürft ihr, wenn ihr mögt, euch streiten.
    In Liebe
    Euer Käthchen.»
     
    Erwin Marmel bekam einen erneuten Lachanfall, der erst abebbte, als er völlig erschöpft und ausgepumpt im Stuhl hing. Er zündete sich seine Zigarre wieder an, die im Aschenbecher ausgegangen war: „Ich finde, dass es sich hier um ein äußerst originelles Testament handelt. Da macht unsereinem der Beruf mal wieder so richtig Spaß!“
     
    „Können Sie uns auch sagen, Herr Marmel, wie viel Guthaben wir im Cafe Lindenblüte haben?“, meldete sich Gerhard zu Wort, der ohne seine Sonnenbank nur noch ein blasser Schatten seiner selbst war.
     
    „Das darf ich Ihnen nicht verraten“, begann Erwin Marmel erneut zu kichern, „das hat Käthchen Kruse zur Bedingung gemacht! Aber so viel sei verraten, Sie werden anständig ´was zu kauen und zu schlucken haben!“ Er hatte Mühe, den Satz zu Ende zu bringen. Als er sich beruhigt hatte, trank er sein Bier aus, kippte noch zwei Schnäpse hinterher und ließ seine stinkende Zigarre im Aschenbecher verglimmen. Marmel verstaute das Testament wieder in seiner Aktentasche und erhob sich. „Käthchen hat Humor gehabt, das muss man ihr lassen“, verabschiedete er sich, „und das sollte Ihnen allen ein Trost sein. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Appetit!“ Sein wieherndes Gelächter war noch bis zur Gartenpforte zu hören.
     
    Man saß noch eine Weile stumm und ratlos zusammen. „Wisst ihr eigentlich, dass das Cafe Lindenblüte bis 23.00 Uhr geöffnet hat“, bemerkte Lissy in die Stille, „ich schlage vor, ehe wir hier noch anfangen zu heulen, gehen wir alle mal ´rüber und trinken schon mal was von dem Guthaben weg!“
     
    Als alle kurz vor Mitternacht angeheitert und guter Dinge wieder

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