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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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Meister Jojo ihm seinen Glückwunsch ausspricht.
    „Manchmal geht mir das mit seiner Schufterei einfach zu weit! Sollen doch die anderen auch mal länger bleiben! Nicht immer nur Harald!“ Marlies war sehr ungehalten. Es war Freitag, und sie war mit Harald abends zum Geburtstag eingeladen. Ihr neues, grünes Kleid, das sie sich nach der Diät gekauft hatte, passte wie angegossen.
     
    „Ich rufe mal an, vielleicht ist etwas passiert!“ Marlies ließ es mehrmals klingeln, doch niemand nahm ab. „Eigentlich kein Wunder, freitags machen ja die meisten sowieso schon gegen 13:00 Uhr Feierabend. Aber ich mache mir echt Sorgen um Harald!“
     
    „Ruf ihn doch mal auf seinem Handy an!“, schlug Vera vor.
     
    „Das ist abgestellt!“, zuckte Marlies ratlos mit den Schultern. Sie versuchte, ruhig zu bleiben, doch als es 18:00 Uhr durch war, rief sie die Krankenhäuser an. Harald war nirgendwo eingeliefert worden.
     
    Gegen 20:00 Uhr hatte sie ihr grünes Kleid wieder ausgezogen und saß in Jeans am Küchentisch. Zwei Stunden später kündigte lautes Gegröle auf der Straße Haralds Heimkehr an. Marlies hörte auch die Stimme von Gotti. Verärgert ging sie zur Gartenpforte. Doch der Anblick von Harald ließ sie ihren Ärger vergessen und wich großer Bestürzung. Er war stinkbesoffen. Seine rote Krawatte war weg. Sein Nadelstreifen hatte einen gewaltigen Riss. Harald trug keine Schuhe mehr an den Füßen, und seine Hose wies die Spuren von Erbrochenem auf.
     
    „Mein Gott, was ist denn mit dir los, Schatz?!“
     
    „Nichts von Bedeutung“, antwortete Gotti gut gelaunt, „nichts, was sich nicht aus der Welt schaffen ließe! Wenn du seine Armbanduhr vermisst, liebe Marlies, die haben wir als Pfand für unsere Zeche in der Kneipe «Cap Horn» hinterlegt. Ich war auch ein wenig klamm heute!“
     
    Zusammen geleiteten sie Harald in die Küche, wo er sich schwer auf einen Stuhl fallen ließ. „Was ist denn los, mein Harald?“, fragte Marlies nochmals.
     
    „Ich soll aufhören......“, lallte Harald, „...ich muss aufhören! Sie wollen, dass ich in den Vorruhestand gehe!“ Er brach in ein irres Gelächter aus, bis sich seine Stimme überschlug und in ein hemmungsloses Schluchzen überging. „Ich brauche morgen nicht mehr wiederzukommen! Sie haben mich vor die Tür gesetzt!“
     
     
    Gegen Mittag am nächsten Tag war Harald wieder so weit hergestellt, dass er berichten konnte. Er war unrasiert und kam schlurfend im Unterhemd in die Küche. Er schien um Jahre gealtert. Die selbstgerechte Miene des Spießers war dahin. Harald wirkte, als hätte er seine Henkersmahlzeit bereits hinter sich und wartete nur noch die letzten Stunden auf seine Hinrichtung. Er hatte mit dem Leben abgeschlossen.
     
    „Nun erzähl mal, Harald, was ist denn bloß los?“, forderte ihn Marlies auf und schmierte ihm ein Brötchen.
     
    „Lieb von dir, Marlies! Aber ich kann nichts essen! Was ich jetzt brauche, ist ein Schnaps und ein Bier!“ Marlies seufzte, schenkte ihm ein Glas Bier ein und holte die Kornflasche aus dem Kühlschrank. Harald kippte beides wie Medizin in sich hinein, dann begann er stockend: „Uns allen war lange klar, dass in der Firma irgendetwas passieren würde, ja, passieren musste. Schließlich geht das Geschäft schon länger schlecht. Die vielen Stornos und das zu geringe Neugeschäft. Es ist zum Verzweifeln. Und unser Vorstandsvorsitzender Sauter hat uns erläutert, dass die Personalkosten der Deutschen Assekuranz im Vergleich zu den anderen Versicherungen viel zu hoch sind. Ich habe euch ja schon mal davon erzählt. Wir können da einfach nicht bei den günstigeren Prämien der anderen mithalten. Und Egon sagte noch auf dieser Besprechung: «Wenn wir alle Mitarbeiter rausschmeißen, die nur ihren Stiefel hier abreißen, ständig krank sind und nichts tun, dann wären wir immer noch genauso leistungsfähig, aber hätten ein Drittel weniger Personal!» - «Natürlich haben Sie recht, Herr Maltzahn», hatte der Sauter erwidert, «aber das machen Sie mal dem Betriebsrat klar! Wir müssen eine andere Lösung finden!»“
     
    „Und konnte Egon dir nicht helfen?“
     
    „Schön wär's, aber der ist selber fällig! Den wollen sie auch nicht mehr haben! Sie wollen ALLE, die über 55 sind, aus der Firma haben. Und weißt du, wer seinen Posten bekommt? - Die Frau Runge, die vorher in der Familienversicherung gearbeitet hat. Und die weder von den Aufgaben einer Post, noch einer Hausdruckerei, geschweige denn von

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