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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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Seetangrolle, gefüllt mit Reis und Thunfisch, besiegelt. Gierig biss sie ein großes Stück davon ab und würgte es keuchend hinunter. Die Rolle blieb ihr im Hals stecken. Käthchen rang nach Luft und drohte zu ersticken, als sie gleichzeitig einem Herzschlag erlag und tot in ihr Stahlelement zurückglitt.
     
    Der Notarzt meinte: „Bei ihrer Statur und ihrem Gewicht ist es sowieso ein Wunder, dass sie so alt geworden ist. Der menschliche Körper kann schon einiges aushalten, aber das war zu viel! Die Leute vom Beerdigungsinstitut werden frühestens am Vormittag kommen. Der Tod kennt zwar kein Wochenende, aber seine Handlanger wollen auch ´mal ein wenig Familienleben haben und ausschlafen. Ich empfehle Ihnen, die Tote auf ihr Bett zu legen, wenn es nicht zu weit entfernt ist!“
     
    „Das Beste wird sein, wenn wir sie in ihr Zimmer tragen, dann können die Leute vom Beerdigungsinstitut sie über die Terrasse zum Wagen bringen!“, schlug Harald vor. „Bloß, wie sollen wir sie tragen? Bei ihrem Gewicht!!!“
     
    „Wenn Giaccomo und Harald sie an den Füßen nehmen, dann packe ich sie unter den Armen!“, übernahm Jojo das Kommando. „Und Hanif kann ja die Türen aufhalten!“
     
    Marlies weinte still vor sich hin. Harald holte eine Flasche Weinbrand und füllte die Gläser. Man trank schweigend. Harald schenkte noch ´mal nach. „Los, Männer, bringen wir´s hinter uns!“
     
    Eine viertel Stunde später lag Käthchen mit über der Brust gefalteten Händen auf ihrem Bett. Bis auf Jojo waren alle in Schweiß gebadet. Harald hatte sich in Käthchens Sessel fallen lassen und keuchte vor sich hin. Giaccomo lief der Schweiß durch die Augenbrauen.
     
    „Viel weiter hätte es auch nicht mehr sein dürfen!“
     
    „Das kommt nur, weil es so verdammt eng ist und Käthchen so sperrig!“
     
    „Ist das alles eine Scheiße!“, meinte Lissy mit feuchten Augen.
     
    In diesem Augenblick kam Gerhard verschlafen ins Zimmer. „Was ist denn hier los?!“
     
    Leise schniefte Lissy unter Tränen: „Käthchen! Die hat endgültig die Fliege gemacht!“
     
     
    „Wir machen das schon!“, versicherte einer der Herren vom Beerdigungsinstitut, als sie den Zinksarg ins Haus trugen. Der ältere von ihnen zückte sein Handy neben Käthchens Leiche und führte ein kurzes Gespräch. Wenig später erschien ein dritter stiernackiger Angestellter, der nicht so recht in seinen dunklen Anzug passen wollte. Sie schlossen die Tür von Käthchens Zimmer hinter sich. So bekam keiner mit, dass sie Käthchen hochkant auf die Seite in den Sarg legten und sie dann über die Terrasse zu ihrer dunklen Limousine trugen.

Ich besitze nichts,
    ich schulde viel.
    Den Rest vermache ich meinen Erben!
    Unbekannt

Käthchens Testament oder wie sie das Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit erfüllt.
    In der Küche herrschte eine gedrückte Stimmung, als man am nächsten Morgen beisammen saß. Selbst Harald hatte sich auf der Arbeit entschuldigt und Marlies wichtige Termine abgesagt. Vera bekam wieder einen Weinkrampf und war am Boden zerstört. „Es ist nur meine Schuld“, klagte sie sich selbst mit verheultem Gesicht an, „ich habe dieses Festessen vor ihren Augen veranstaltet. Ich wusste, dass der Anblick sie quälen würde. Und ich habe heimlich auf ihren Rückfall gehofft. Ich war mir sehr, sehr sicher!“ Vera schlug wieder die Hände vor das Gesicht und begann erneut zu weinen. „Aber DAS habe ich natürlich nicht gewollt!“
     
    Marlies legte tröstend den Arm um Vera und schluchzte: „Vera, ich habe genauso viel Schuld! Nie hätte ich Käthchen zu einer Diät, geschweige denn, zu einer Fastenkur überreden dürfen!“
     
    „Ihr braucht euch beide keine Vorwürfe zu machen, ihr Lieben“, schaltete sich Jojo ein, „das Essen war Käthchens große Freude. Sie hat gerne und reichlich hingelangt - das wissen wir alle. Aber es hat ihr auch gleichzeitig viel Freude genommen. Denn es ist sicherlich sehr beschwerlich, mit solch einem Gewicht zu leben. Sie wird darunter auch gelitten haben. Wenn man so viel isst, muss kommen, was passiert ist. So oder so! Das ist keine Frage der Schuld! Und jetzt hat ihr Leiden ein Ende gefunden!“
     
    „Das ist nett gesagt von dir, Jojo, aber ich fühle mich trotzdem schuldig!“
     
    „Jeder Mensch ist sein eigener Versuch, in diesem Leben möglichst lange zu bestehen...!“
     
    „Ach so“, warf Lissy jetzt ein, „das wollte ich noch sagen: Marmel, dieser Notarfritze aus der

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