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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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Seite und betrachte dich mit etwas Abstand. Ist es nicht lächerlich? Du und dein Kopierer!? Und ist es nicht noch verrückter, dich selbst bestrafen zu wollen, indem du dich mit Saufen zugrunderichtest? Das alles ist keine Angelegenheit der Abstinenz, sondern des rechten Maßes! Du solltest dich jetzt in jeder Beziehung wieder auf eine gesunde Mitte einpendeln! Und wenn du wieder zu den Spielen von Pauli gehst, dann feiere ruhig wieder! Das wird dir gut tun!“
     
    Auch sonst hatte sich Harald wieder gefangen. Dr. Kicoka hatte ihm mehrmals das koreanische Hausmittel gespritzt, und diesmal war Marlies nicht im Elbtunnel stecken geblieben. Auf diese Weise verhalf Dr. Kicoka ihm und Marlies zu ihren zweiten Flitterwochen. Und es brachen die ersten Tage für Harald an, an denen er froh war, nicht mehr zur Arbeit zur Deutschen Assekuranz zu müssen. Er stand früh auf, holte Brötchen und die Zeitung und machte für seine Marlies das Frühstück, ehe er sie zur ihrem  Arbeitsplatz fuhr.
     
     
    Als sich die WG während der Halbzeit über einen 1:0 Vorsprung von St. Pauli freute, saß Vera auf ihrer Bettkante und nahm ihre Tablettenration in mehreren Schüben. Sie hatte schon eine halbe Flasche Rotwein getrunken. Alles war gut vorbereitet. Vera hatte über Wochen hinweg die richtigen Tabletten besorgt und gesammelt. Der Zeitpunkt war günstig. Samstagabend - sie würden nicht vor morgen Mittag zurückkommen. Und dann auch noch angetrunken. Bis dahin würde sie alles hinter sich haben. Sie schüttete das letzte Häufchen Tabletten in die Handfläche und spülte sie mit einem tüchtigen Schluck Rotwein hinunter. Geschafft! Dann legte sie sich aufs Bett und faltete die Hände vor der Brust. Die Nachttischlampe ließ sie brennen.
     
     
    Nach einem nie gefährdeten 2:0 Sieg bewegten sich die sechs im Siegestaumel und - bis auf Jojo schon gut angeheitert - in Richtung Reeperbahn. Hanif erkannte die vertrauten Ecken und seine Augen leuchteten. „Können wir nicht mal zum Laufhaus gehen?!“, schlug er vor.
     
    „Wir haben eigentlich gedacht, Hanif“, meinte Marlies, „wir gehen alle erstmal ins Panoptikum und schauen uns die Wachsfiguren an. Du wirst begeistert sein!“
     
    „Ich kenne das doch schon!“
     
    „Warum ist deine Melinda eigentlich heute abend nicht dabei?“, fragte Giaccomo. „Die haben wir schon lange nicht mehr gesehen!“
     
    „Wir haben uns schon vor einiger Zeit getrennt!“
     
    „WAAAS?“, rief Jutta ungläubig. „Ihr wart doch so glücklich miteinander!“
     
    „Ja, das schon…“, antwortete Hanif, „… bis ich herausgefunden habe, dass Melinda eigentlich ein Mann ist!“
     
    „WAAAS!!!??“
     
    Jutta fing sich als erste: „Ich schlage vor, Hanif geht in sein Laufhaus, und wir gehen ins Panoptikum. Und du kannst dann ja wieder zu uns stoßen!“
     
    „Und wenn wir nun eher fertig sind!?“, wandte Jutta grinsend ein.
     
    „Das ist kaum zu befürchten“, erklärte Giaccomo, „also, Hanif, mach dich vom Acker, wir warten hier auf dich!“
     
    Hanif strahlte und entfernte sich mit raschen Schritten.
     
    „Was ist das denn eigentlich - ein Laufhaus?“, fragte Marlies unbedarft.
     
    „Ein Riesenbilligpuff mit vielen kleinen Zimmern auf mehreren Stockwerken!“
     
     
    Sie waren gerade in der politischen Abteilung des Wachsfigurenkabinetts angelangt mit den Figuren von Hitler, Stalin und Churchill, als ein völlig aufgelöster, flennender Hanif zu ihnen stieß. Er lief sofort auf Jojo zu und gestikulierte aufgeregt in ihrer gemeinsamen Sprache. Harald legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter, während Jojo Hanif in beide Arme nahm und ihn wie ein Kind hielt. Er sprach ruhig ein paar Worte zu ihm. Dann brachte er ihn zum Ausgang.
     
    „Er geht nach Hause“, erklärte Jojo, als er wieder kam, „Hanif hat in dem Laufhaus einen Schock erlebt, als er in das Zimmer einer besonders schönen Frau gegangen ist. Er hat mit ihr einige Worte gewechselt und dabei festgestellt, dass sie beide aus der gleichen Gegend kommen. Und dann wurde ihm auf einmal klar, dass die junge Frau seine Enkelin ist! Wahrscheinlich möchte man als Mann ab und zu ´mal solche Frauen aufsuchen, doch keiner sieht es gerne, wenn seine Enkelin in solch einem Haus arbeiten muss. Darum hat Hanif geweint. Vielleicht kann er sich ja zuhause von Vera trösten lassen!“
     
    „Das ist ja entsetzlich!“, meinte Harald.
     
    „Wir in Indien nennen das Karma. Es bedeutet, dass all´ unsere vergangenen

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