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Die Lanze Gottes (German Edition)

Die Lanze Gottes (German Edition)

Titel: Die Lanze Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Beckmann
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wollte aufgeben und er bat den Herrn um ein schnelles Ende. Doch er spürte auch noch etwas anderes, eine leise innere Stimme, die ihn aufforderte durchzuhalten. Er hatte noch so viel zu tun. Er wollte noch nicht sterben.
    Seine einzige Hoffnung blieb Konstanze. Vielleicht würde sie es schaffen, irgendjemandem von seinem Schicksal auf der Rüdenburg zu berichten. Falls nicht sie es war, die ihn verraten und die Häscher Mathildes in den Wald bei Chlusingen geführt hatte, doch der Gedanke war absurd. Nein, Konstanze stammte von seinem Blut und teilte das gleiche Schicksal, das hätte sie nie getan. Er musste nur durchhalten. Solange er den Aufenthaltsort der Lanze nicht preisgab, würden sie ihn nicht töten. In dem Augenblick, wo er schwach wurde, hatte er sein Leben verwirkt. Doch von Hermann wusste er, dass es sehr schwierig war, in der Gewalt Wilfried von Breydes stark zu bleiben.
    Angesichts dessen, was ihm bevorstand, schnürte sich sein Magen zusammen, sein Herz raste. Wie ein Karnickel vor der Schlange
    blieb er regungslos liegen und bewegte sich nicht. Janus hörte, wie Wilfried sagte: »Überlasst ihn mir, Gräfin von Arnesberge. Ich bekomme heraus, was er weiß.« Dann packten ihn die Waffenknechte und schleiften ihn aus der Halle.

XLI
    Konstanze lag gefesselt und geknebelt in Asbirgs Hütte. Sie war an einen alten Pfosten gebunden und zerrte an dem Strick, der sich in ihre Handgelenke schnitt. Es war aussichtslos. Wilfried von Breyde hatte sie mit dem Versprechen zurückgelassen, wiederzukommen. Bei dem Gedanken an ihn krampfte sich ihr der Magen zusammen, und die Furcht davor, was er mit ihr anstellen könnte, legte sich wie eine kalte Hand auf ihren Körper. Konstanze begann zu zittern und dachte an Johannes, den sie gebeten hatte, ihr nicht zu folgen, auch wenn es einige Tage dauern sollte. Er wartete im Oberdorf beim Dorfschmied auf ihre Rückkehr. Ihr Blick fiel auf die Stelle, wo sich früher einmal ihr Schlaflager befunden hatte. Es gab ein Versteck hinter einem Holzbrett, in dem sie und Asbirg ein kleines Messer aufbewahrt hatten. Vielleicht lag es noch dort.
    Konstanze versuchte, mit ihrem Fuß das Holzstück zu erreichen. Wenn es ihr gelingen würde, das Brett fortzustoßen, könnte sie das Messer vielleicht mit ihrem Fuß zu sich hinziehen. Sie zerrte an ihren Fesseln, machte sich so lang wie möglich. Es fehlte nur noch ein kleines Stück. Konstanze ruckelte hin und her, musste dann jedoch einsehen, dass sie das Brett so niemals erreichen würde. Verzweifelt ließ sie sich wieder zurücksinken und begann zu weinen.
    Vielleicht gab es noch einen anderen Ausweg. Ihre Gedanken
    schweiften zu Wilfried von Breyde. Er mordete für etwas, das Konstanze nicht begriff. Für wen? Für Gott? Für Rudolf von Rheinfelden? Wie sonderbar sich diese Menschen verhielten. Sie suchten eine Heilige Lanze und waren bereit, sich dafür gegenseitig zu töten. Konstanze konnte das nicht verstehen. Sie hatte so manches Kind auf diese Welt geholt und immer wieder das Wunder des Lebens betrachtet. Die Götter befanden sich doch nicht in einer Lanze, sie lebten in allem und jedem.
    Es dämmerte bereits, als die Tür zur Hütte aufgestoßen wurde. Konstanze schreckte zusammen. Wilfried stand vor ihr und musterte sie mit einem Blick aus Argwohn und Erregung, der Konstanze erschauern ließ.
    »Wenn Ihr versprecht, nicht zu schreien und nicht zu fliehen, werde ich Euch von den Fesseln befreien«, sagte er.
    Konstanze nickte verhalten und von Breyde band sie los. Eine Flucht war ohnehin aussichtslos, denn der Ritter versperrte den Ausgang. Sie löste den Knebel, rieb sich die schmerzenden Handgelenke und betrachte diesen Mann, der so viel Unglück über ihre Familie gebracht hatte. Asbirg hatte ihr immer wieder eingeschärft, wie wichtig die Gabe des Einfühlens in andere Menschen war. Jeder versucht sich hinter seinem Blick zu verstecken, doch Blicke lügen nicht. Lerne sie zu deuten.
    Hinter Wilfrieds Habichtsaugen glaubte Konstanze, eine Art Trauer erkennen zu können. Sie musterte ihn. Er war schlank und groß gewachsen, nicht mehr der Jüngste, aber eigentlich sehr ansehnlich. Konstanze fielen seine feingliedrigen Hände auf. Es waren die Hände eines Adeligen, nicht die eines Bauern. Wunderschöne Hände, dachte sie und im gleichen Augenblick wurde ihr bewusst, dass diese Hände schon so viele Menschen getötet hatten. Die Äußerlichkeiten passten nicht zu dem Mann und seiner Geschichte. Warum tat von Breyde, was er

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