Die Lanze Gottes (German Edition)
und Konstanze wusste, dass sie ihn vertrieben hatte, die Einsamkeit in seiner Seele machte es ihm unmöglich, ihre Worte länger zu ertragen.
XLII
Jeden Tag kam Wilfried von Breyde zu Janus und spielte. Er spielte mit seiner Furcht. Nach einigen Tagen zuckte Janus schon zusammen, wenn nur eine Ratte an der Tür vorbeihuschte, aus Angst, Wilfried könne wiederkommen. Doch seltsamerweise folterte von Breyde ihn nicht. Zwar schlug er ihn und drohte, krümmte ihm aber sonst kein Haar. Und dann sah Janus ihn tagelang nicht mehr. Die Ungewissheit, was von Breyde als nächstes tun würde, das Gefühl ihm ausgeliefert zu sein, steigerte Janus´ Furcht immer weiter. Er fragte sich, was das alles bedeutete. Warum blieb sein Peiniger so lange fort? Warum versuchte er nicht einmal, ihm das Geheimnis um die Heilige Lanze zu entlocken?
In dem kalten und dunklen Verlies verlor Janus völlig das Zeitgefühl. Irgendwann begann er zu fiebern und verlor immer wieder das Bewusstsein. Janus nahm kaum etwas um sich herum wahr. Wachzustand und Schlaf wechselten einander ab. Als er erneut erwachte, blickte er in das freundliche, runde Gesicht einer Magd. Wo war
er?
Er lag in einem Bett und draußen schien die Sonne. Seine Hände waren immer noch gefesselt.
»Bleibt liegen, Herr. Ihr habt lange geschlafen. Es hat Euch schlimm erwischt.« Die Magd reichte ihm einen Teller Suppe. Janus nahm ihn in seine Hände und setzte sich auf. »Wo ist er?«, fragte er.
Sie legte einen Finger auf ihre Lippen und flüsterte: »Er ist nicht hier, doch die Waffenknechte werden später kommen, um Euch wieder ins Verlies zu bringen.«
»Warum haben sie mich nicht einfach sterben lassen?«
Die Magd zuckte mit den Schultern.
Janus betrachtete sie eingehend. Sie hatte die sechzig Jahre schon überschritten. Tiefe Falten in ihrem Gesicht zeugten von einem Leben voller Arbeit, Mühe und Leid.
»Ich weiß, wer Ihr seid, Herr«, flüsterte sie. »Ihr seid der Graf von Esken, der Sohn Siegmars von Esken. Ich kannte Euren Vater, er war ein gerechter Mann. Ich kannte auch noch den alten Grafen Bernhard, Konrads Vater. Das Leben in Arnesberge könnte ein Schönes sein, wäre die Gräfin nicht da. Sie wacht über alles und jeden und bestimmt, was in Arnesberge geschieht. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass die Gräfin ihren Gemahl betrügt. Würde sich Graf Konrad nicht so häufig am Hofe des Königs aufhalten, so wäre vieles anders. Ich weiß auch nicht, was Gräfin Mathilde von Euch will, doch der Ritter mit den Habichtsaugen ist böse.«
Janus nickte. »Habt ihr nicht Angst vor Bestrafung, wenn ihr solche Worte sprecht?«
»Ich habe acht Kinder geboren und zwei Ehemänner verloren, junger Graf. Vor was sollte eine Frau in meinem Alter sich noch fürchten? Einer meiner Söhne gehört zu den Soldaten des Grafen. Ich werde Euch jeden Tag etwas zu essen bringen lassen. Wenn Ihr nicht regelmäßig esst, werdet Ihr nicht lange durchhalten in dem kalten Verlies.« Sie nahm seine Hand in die ihre. »Was immer es ist, was die Gräfin von Euch will, bleibt stark! Ich spüre, dass Ihr ein gutes Herz habt, junger Graf. Falls Ihr überlebt, so berichtet Graf Konrad von dem Treiben hier in Arnesberge. Vielleicht wird es meinen Kindern und Enkeln dann irgendwann besser ergehen als mir.«
Plötzlich öffnete sich die Tür, die Magd verstummte und Mathilde trat ein. Mit einer Handbewegung befahl sie der Alten, zu gehen. Sie trat zu Janus hin und schaute ihn herablassend an. »Ich habe dir gesagt, Janus, dass du mit meiner Gesellschaft hättest vorlieb nehmen sollen. Graf von Breyde ist nicht so zärtlich wie ich.«
»Warum habt ihr mich nicht einfach getötet?«, fragte er.
Mathilde lachte laut auf. »Das weißt du genau. Du bist einfach zu wichtig für uns, denn du besitzt etwas, was wir wollen, und weigerst dich standhaft, es uns zu übergeben.«
Zwei Männer betraten das Gemach und Mathilde befahl: »Bringt ihn zurück ins Verlies und kettet ihn an. Er scheint dem Tod noch einmal entronnen zu sein. Doch achtet darauf, dass er uns nicht stirbt.«
Die Männer nahmen Janus unter den Armen und brachten ihn in ein Verlies, welches im Vergleich zum vorherigen fast so etwas wie Wohnlichkeit besaß. Frisches Stroh lag auf den Boden, ein Schemel und ein Krug Wasser standen bereit. Außerdem hing eine Fackel an der Wand und erleuchtete den Raum etwas. So saß er die nächsten zwei Tage bei Fackelschein und dachte über alles nach. Warum versuchten sie nicht, ihm
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