Die Lanze Gottes (German Edition)
von seiner Mutter verweichlicht wird«, sagte er leise.
Hermann stand auf, stützte seine Hände auf den Tisch und blickte fassungslos in die Runde. »Und deswegen sollen wir einen König von Gottes Gnaden entführen?«
Es herrschte betretenes Schweigen und einige der Zwölf schauten zu Boden und wichen seinem Blick aus. Niemand traute sich, Partei für ihn zu ergreifen.
»Es ist entschieden, Hermann! Bischof Adalbert hat unter der Voraussetzung zugestimmt, dass er weiterhin an der Erziehung des Knaben teilhaben kann. Wir haben ihm das gewährt«, sagte Rudolf, und Hermann konnte die Freude über den lang vorbereiteten Sieg in den Augen seines Gegenübers sehen.
»Rudolf, Ihr seid der alleinige Schmied dieser Ränke. Schon immer habt Ihr Euch gegen den König gestellt, da Ihr selbst nach der Krone strebt.«
Rheinfelden sprang auf und donnerte mit einer Faust auf den Tisch. »Seid vorsichtig was Ihr sagt, Hermann von Gleiberg, Ihr redet Euch um Kopf und Kragen!«, zischte er.
In der Halle war es totenstill geworden. Die anderen Männer starrten auf die beiden Kontrahenten. Hermann trat langsam auf Rheinfelden zu und stand jetzt direkt vor ihm. »Die Kaiserin hat Euch reich belehnt, Rudolf. Nicht nur das, sie hat Euch sogar ihre Tochter zur Frau gegeben. Ihr seid sozusagen des Königs Schwager, auch wenn Eure Frau gleich nach der Hochzeit starb. Welch merkwürdiger Zufall. Ihr versteht es vortrefflich die Nähe zum salischen Königshaus zu halten, um Eure möglichen Thronansprüche zu
rechtfertigen.«
Hermann konnte sehen, wie Zorn Rudolf übermannte. Das Gesicht des Rheinfeldeners wurde rot und er schaute ihn mit eisigen Augen an, in denen sich blanker Hass spiegelte. Hermann wusste, dass Rudolf ihn nur zu gerne aus dem Weg geräumt hätte, vor allen Dingen deshalb, weil er ihn durchschaute, doch er wusste auch, dass Rheinfelden nicht den Fehler machen würde, in diesem Kreis die ganze Wahrheit zu offenbaren.
Rudolf blieb nach außen ruhig. »Ich glaube, es ist nicht die Weisheit eines würdigen Führers des fränkischen Volkes, der aus Euren Worten spricht, sondern Euer schlechtes Gewissen und Eure Trauer um Euren Freund Siegmar von Esken. Ihr lasst Euch von Eurem Hass blenden, Hermann von Gleiberg.«
»Das alles ist lange her und steht in keinem Zusammenhang mit der Entführung des Königs, Rudolf!«
»Wirklich nicht? Seit jenem Tag habt Ihr nichts unversucht gelassen, meinen Stand und meine Entscheidungen innerhalb der Mauritiusbruderschaft infrage zu stellen. Nicht ich bin für den Tod Siegmar von Eskens verantwortlich. Ihr wart ebenso wie ich an jenem Abend dabei, als die Bruderschaft seinen Tod beschloss. Ich erinnere Euch an Euren Eid, Hermann von Gleiberg. Ihr seid der Bruderschaft wie jeder von uns verpflichtet.«
Hermann nahm sein Schwert, dann knurrte er: »Dies alles hat nichts mit dem Tod Siegmars zu tun, Rudolf, auch wenn Ihr das den Mitgliedern der Bruderschaft glauben machen wollt.« Dann blickte er eine kurze Weile in die Runde. »Nun gut, auch wenn Bischof Adalbert zugestimmt hat, ich werde mich niemals an der Entführung des Königs beteiligen.« Die anwesenden Fürsten murmelten, doch alle wichen seinem Blick aus.
Rudolf setzte sich wieder und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie Ihr meint. Doch Ihr wisst genau, was das bedeutet. Ist noch jemand in diesem Raum seiner Ansicht?«, fragte Rheinfelden und blickte kalt in die Runde. Es herrschte betretenes Schweigen. Keiner der Fürsten stand auf.
»Nun denn«, sagte Hermann und schritt zur Tür, ohne sich noch einmal umzudrehen. Doch er wusste, was seine Entscheidung für Folgen für ihn haben konnte. Wenn jemand sich dem gemeinschaftlichen Entschluss nicht fügte, wurde er mit sofortiger Wirkung aus der Mauritiusbruderschaft ausgeschlossen. Er musste dennoch weiterhin Stillschweigen bewahren, niemandem durfte er von seiner ehemaligen Mitgliedschaft erzählen, nichts, was er gehört hatte, durfte die Räume der Bruderschaft verlassen. Bisher hatte in der Geschichte nur einmal ein Fürst gegen dieses Gesetz verstoßen - und damit sein Todesurteil unterschrieben.
Es würde nicht lange dauern, bis einer seiner Feinde die Behauptung aufstellte, er, Hermann von Gleiberg, habe die Bruderschaft des Heiligen Mauritius verraten. Wahrscheinlicher war es jedoch, ihm Verrat am Reich oder dem König zu unterstellen. Was dann passieren würde, wusste Hermann: Sein Leben war verwirkt, er würde ein ausgestoßener unter den deutschen Fürsten
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