Die Lanze Gottes (German Edition)
nächsten Abende kehrte Konstanze vom Holzsammeln zurück. Als sie die Hütte betrat, ließ sie vor lauter Schreck das Holz fallen. Asbirg kauerte an der Schlafstatt des Dorfpriesters und hielt ihm ein Messer an die Kehle.
»Bei allen Göttern! Asbirg, was tust du da?«
Der Priester winselte um Gnade. Asbirg drehte sich um.
»Bleib da stehen, Konstanze!« Dann verstärkte sie den Druck des
Messers. Blut quoll aus der kleinen Wunde am Hals des Priesters und er wimmerte.
Konstanze stockte der Atem, sie war versucht, Asbirg von dem Mann wegzureißen, doch etwas in ihr ließ sie einfach starr stehenbleiben. Asbirg redete mit ihr, ohne die Augen von dem Priester zu lassen oder das Messer wegzunehmen. »Eigentlich wollte ich nicht, dass du es so früh erfährst. Es ändert auch nichts mehr. Aber die Frage nach dem Warum quält mich nun seit elf Jahren.«
Verständnislos und mit offenem Mund blickte Konstanze auf das Geschehen.
Asbirgs Augen verengten sich. Dann zischte sie den Priester an: »Erzähl mir die Wahrheit! Warst du es, der behauptet hat, Graf von Esken stehe mit den heidnischen Mächten im Bunde!«
»In Gottes Namen, ja!«, brüllte der Dorfpriester.
In Konstanzes Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie kannte den Mann nur vom Sehen, war ihm immer aus dem Weg gegangen und hatte die Warnungen Asbirgs beherzigt, jedoch wäre sie nicht im Traum darauf gekommen, dieser Mann könne etwas mit dem Tod ihres Vaters zu tun haben. Asbirg hatte ihr immer eingeschärft, ihre wahre Herkunft zu verleugnen. Im Oberdorf erzählte man sich, fahrende Händler hätten seinerzeit das kleine Mädchen im Wald zurückgelassen und Asbirg habe sich ihrer angenommen. Bis auf den Hufschmied kannte niemand die Wahrheit.
»Warum habt ihr gelogen, Priester?«, zischte Asbirg und erhöhte den Druck auf das Messer erneut.
»Ich bekam Geld, viel Geld, und der Medicus, der damals mit bei der Geburt dabei war, ebenso«, stotterte er.
»Von wem?«
»Sein Name war Wilfried von Breyde!«
»Warum gab er euch das Geld? Warum sollte Siegmar von Esken sterben?«
Hastig antwortete der Priester: »Ich wollte damals den falschen Eid nicht schwören. Dieser Ritter, dieser von Breyde behauptete jedoch, als Diener Gottes brauche er meine Hilfe ganz besonders. Er sagte, Graf von Esken versuche, in den Besitz der Heiligen Lanze zu kommen, um sie im Namen der heidnischen Mächte, denen er huldigt, zu zerstören. Die Heilige Lanze des Königs. Sie hat Jesu Blut berührt. Das konnte ich doch nicht zulassen! Er sagte, wir gottesfürchtigen Menschen müssten gemeinsam das Böse bekämpfen und Siegmar von Esken aufhalten, also leistete ich den Meineid.«
Asbirg lockerte den Druck des Messers und schien einen Moment nachzudenken. Diese Unaufmerksamkeit nutzte der Priester und schlug ihr mit einer schnellen Drehung ins Gesicht. Asbirg fiel rückwärts auf den Boden. Das Messer schlitterte davon, direkt vor Konstanzes Füße. Mit letzter Kraft stemmte sich der Priester von seinem Schlaflager hoch und warf sich auf Asbirg. Seine Verletzungen hatten ihn zwar geschwächt, jedoch war er der zierlichen Kräuterfrau durch Gewicht und Körpergröße überlegen. Er legte ihr die Hände um den Hals und drückte zu. »Jetzt wirst du zu deinen heidnischen Götzen fahren, verfluchte Hagazussa!«
Asbirg versuchte mit den Beinen zu strampeln, um sich zu befreien, jedoch ohne Erfolg. Sie röchelte und schlug verzweifelt auf den Rücken des Dorfpriesters ein, der aber schien davon unbeeindruckt. Immer weiter drückte er Asbirgs Kehle zu.
Konstanze stand starr vor Schreck in der Hütte, unfähig sich zu bewegen, doch dann wurde ihr klar, dass der Dorfpriester Asbirg töten würde. Ihr Blick fiel auf das Messer auf dem Boden. Sie bückte sich, nahm es in beide Hände und stieß es dem Dorfpriester in den Rücken. Der schrie auf und löste seine Hände von Asbirgs Hals. Dann fiel er nach vorne und blieb regungslos auf ihr liegen. Asbirg versuchte, den großen schweren Mann wegzurollen und kroch angewidert unter ihm hervor. Sie saß auf dem Boden und schnappte nach Luft. Konstanze kniete und starrte entsetzt auf ihre Hände. Schließlich kroch sie zu ihrer Lehrmeisterin hinüber, während ihr Tränen in die Augen schossen. Sie legte den Kopf auf Asbirgs Schoß, die immer noch nach Luft rang.
Konstanze blickte zu dem Dorfpriester, der regungslos in seinem Blut in Asbirgs Hütte lag. »Ist er tot?«, fragte sie mit zitternder Stimme. Asbirg schob sie sanft beiseite,
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