Die Lanze Gottes (German Edition)
jetzt im Himmel. Rachel hat immer auf sich selbst aufgepasst und Uhlman sagt, ich muss mit den anderen ziehen, Janus.«
»Lass ihn, Janus!«, sagte Uhlmann. »Du weißt, dass es seinen Tod bedeutet, wenn er hier zurückbleibt. Wir können nichts mehr für Rachel tun. Sie wusste genau, was sie erwartet, wenn sie dieses
Schwein ersticht. Gott allein weiß, wie sie es überhaupt geschafft hat, in den letzten zwei Tagen herauszufinden, um wen es sich handelt. Jetzt hat sie ihre Rache und der Preis dafür ist ihr Tod.«
Janus verschränkte die Arme vor seiner Brust und sagte trotzig: »Ich bleibe!«
»Dann bist du dumm«, gab ihm Gotwig zur Antwort.
Uhlmann schnürte einen Sack auf den Karren und hielt kurz inne. Dann drehte er sich um und blickte Janus an. »Janus, ich weiß wie du dich fühlen musst. Doch es wäre unser aller Ende. Sei vernünftig und komm mit uns!«
»Nein, ich bleibe!« Janus wandte sich ab.
Der Karren setzte sich in Bewegung und Janus blickte seinen Gefährten nach, die in Richtung Stadttor zogen, um Köln zu verlassen. In gewisser Weise konnte er sie sogar verstehen. Der Tod kam schnell auf der Straße, die ihr Zuhause war. Was konnten sie schon anderes tun, außer weglaufen? Sie waren Vaganten, wegzulaufen war ihre einzige Möglichkeit zu überleben, wenn es Schwierigkeiten mit der Obrigkeit gab. Doch er selbst konnte nicht einfach gehen, auch wenn er nicht wusste, was er tun sollte.
In der folgenden Nacht fand Janus keinen Schlaf. Er hatte sein Lager am Rheinufer aufgeschlagen. So sehr er auch überlegte, es schien keinen Ausweg zu geben, fast genauso wie damals, als Wilfried von Breyde Ulrich folterte. Janus fühlte sich eingesperrt. Gefesselt. Sein Körper glich einem Verlies, aus dem er nicht entkommen konnte, unfähig sich zu bewegen. In Gedanken ging er noch einmal alle Möglichkeiten durch. Es war nicht machbar, Rachel zu befreien. Er würde nur ihr Schicksal teilen. Es gab keinen Ausweg.
Die Nachricht der Hinrichtung einer Huora, die einen Geistlichen erstochen hatte, verbreitete sich am nächsten Tag wie ein Lauffeuer. Am Nachmittag versammelten sich abseits des Marktes zahlreiche Menschen am Rhein. Janus stand in der Menge und versuchte, seine Tränen zu unterdrücken. Er fühlte sich, als habe jemand in seinen Innereien ein Feuer entzündet. Der brennende Schmerz erschien ihm unerträglich, dennoch konnte er seine Augen nicht von dem Geschehen abwenden. Unter dem Gejohle und Pfeifen des Pöbels brachte man Rachel auf einen Steg nahe des Rheins und steckte sie in einen Sack. Diesen band man zu und warf ihn ins Wasser. Die Soldaten des Bischofs trugen lange Stangen und drückten den Sack immer wieder unter Wasser, bis sein Inhalt zu zappeln aufhörte. Dann trug die Strömung den Sack fort, der sich etwas weiter am Ufer verfing und dort an Ästen hängen blieb.
Janus lief zur großen Rheinbrücke, Tränen rannen über sein Gesicht. Als die Menge sich auflöste und die Soldaten gingen, rannte er zum Fluss. Er holte den Sack an Land, befreite Rachel und nahm sie in seine Arme. Ihr Gesicht war bleich, die Augen geschlossen. Fast sah es so aus, als würde sie schlafen. Schluchzend wiegte Janus sie hin und her.
Zwei Soldaten des Bischofs kehrten ans Ufer zurück. Einer von ihnen trat auf Janus zu. »Kanntest du sie?«
Janus nickte und schaute den Soldaten provozierend an. In diesem Moment war ihm alles egal. Sollten sie ihn doch auch töten. Doch der Mann machte keine Anstalten ihn festzunehmen. Er schien ein anständiger Kerl zu sein, denn er zog Janus an den Schultern hoch. »Wir haben Befehl, das Mädchen vor den Stadttoren zu verscharren, falls ihr Körper wieder auftaucht. Außerdem sollen wir herausfinden, ob sie allein handelte oder ob noch jemand am Mord des ehrwürdigen Friederichs beteiligt war. Wo sind deine Gefährten? Ihr beide wart doch nicht allein.«
Janus blickte auf die am Boden liegende Rachel und flüsterte: »Sie sind fort, sie haben die Stadt verlassen.«
»War sie deine Liebste?«
Janus nickte.
»Diakon Friederich von Starsberg war ein Schwein. Dein Mädchen wird ihre Gründe gehabt haben, warum sie ihn erstochen hat. Verschwinde aus Köln, sonst müssen wir dich in das Verlies des Bischofs bringen.«
Janus sah den Mann dankbar an, dann blickte er ein letztes Mal auf die tote Rachel und lief zu seinem Lagerplatz zurück. Er schnürte seine Habseligkeiten zusammen und verließ Köln.
Vor dem Stadttor traf er ein bekanntes Gesicht. Uhlmann. Er kam auf ihn
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