Die Lanze Gottes (German Edition)
frühen Abend betrat Janus das Gasthaus, von dem der Novize gesprochen hatte. In einer Ecke saß tatsächlich ein Mönch, der den Habit der Benediktiner trug. Vor ihm auf dem Tisch stand ein opulentes Mahl und ein großer Becher Wein. Der Mann besaß eine mittelgroße, kräftige Statur. Seine Haare waren dunkelblond und er trug einen spitzen Kinnbart. Janus beobachtete, wie er genüsslich in eine Hühnerkeule biss.
»Seid Ihr Adam von Bremen?«
Der Mönch hielt einen Augenblick inne, trank von seinem Wein und schaute ihn von unten heraus mit freundlichen blauen Augen an. Er lächelte. »Wer will das wissen?«
»Mein Name ist Janus von Esken. Ich bin ein Freund des Grafen von Gleiberg und bringe eine wichtige Botschaft für Bischof Adalbert. Man sagte mir, Ihr seid ein enger Vertrauter von ihm.«
»Das stimmt. Und das Erste stimmt auch!«
»Was meint Ihr?«
»Nun es stimmt, dass ich ein Vertrauter vom Bischof bin. Und es stimmt ebenso, dass ich Adam heiße. Setzt Euch, mein junger Freund, esst mit mir.«
Janus wunderte sich über die plötzliche Einladung, setzte sich beim Anblick des knusprigen Hühnchens aber rasch hin. Adam goss ihm einen Becher Wein ein und schob sich erneut etwas Fleisch in den Mund. Er grinste und reichte Janus den Teller. »Ora et labora, wie der Heilige Benedikt gesagt hat. Doch jetzt arbeite ich nicht mehr und beten tue ich auch nicht. Jetzt esse ich. Und das solltet Ihr auch tun, junger Freund. Ihr seht so aus, als könntet Ihr etwas vertragen. Nehmt, soviel Ihr wollt.«
Janus bedankte sich und begann zu essen. In der Tat war er sehr hungrig, denn er hatte schon seit zwei Tagen nichts Anständiges mehr in den Magen bekommen. Also ließ er seine Zähne gierig in das saftige Stück Fleisch fahren und biss ein riesiges Stück ab.
Adam blickt ihn erstaunt an. »Gütiger Gott, man könnte meinen Ihr habt noch niemals im Leben ein Hühnchen gekostet!«
»Ja, da ist schon etwas Wahres dran, so etwas hat man mir eher seltener angeboten«, antwortete Janus mit vollem Mund.
»Nun, Ihr sagtet, Ihr hättet eine Botschaft für den Bischof? Gebt sie mir.«
»Das Schreiben ist nur für den Bischof bestimmt und ich werde es ihm persönlich überreichen.«
Misstrauisch beäugte ihn der blonde Mönch, wischte sich mit einem Tuch den Mund. »So, so! Nun, der Bischof ist nicht in Bremen. Ich erwarte ihn erst übermorgen zurück. Er ist in …«
»Kaiserswerth, ja, ich weiß!«
Adam lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »Nun, Ihr scheint eine ganze Menge zu wissen, mein junger Freund. Was seid Ihr für ein seltsamer Geselle? Und was tragt Ihr da bei Euch?«
Janus schaute auf seine Sackpfeife, lachte und antwortete: »Ja, ein seltsamer Geselle bin ich wahrlich und ich trage eine Sackpfeife bei mir.«
»Ein Musikinstrument? Seid Ihr Musikant? Welche Art Musik spielt Ihr?« Forschend sah ihm der Mönch in die Augen.
Janus fand den Mann zwar sympathisch, dennoch wollte er ihn auf die Probe stellen. »Darauf spiele ich zotige Liebeslieder. Und anschließend bitte ich die Jungfrau Maria um Vergebung.«
Adam hob eine Augenbraue. Janus machte sich schon auf ein kirchliches Donnerwetter gefasst, doch dann fing der Mönch an zu grinsen und nach kurzer Zeit wurde das Grinsen zu einem Lachen, das immer lauter wurde, bis er sich schließlich den Bauch halten musste. »Ihr gefallt mir, Spielmann!«
Janus fiel in das Lachen ein. Als sich Adam wieder beruhigt hatte, wurde er schlagartig ernst. »Ihr wollt den Kodex, nicht wahr?« Seine blauen Augen musterten Janus erwartungsvoll.
Die Überraschung stand ihm wohl ins Gesicht geschrieben. Er hatte den Kodex nicht einmal erwähnt. »Woher wisst Ihr …?«
Adam winkte ab. »Das war nicht schwer zu erraten, mein Freund. Ihr sagtet mir Euren Namen als Ihr hereinkamt, Janus von Esken. Vor einigen Jahren brachte mir ein gewisser Johannes Wohlfarth einen Kodex. Nun, da ich das geschriebene Wort über alles liebe und darüber hinaus von Gott mit etwas Klugheit und unsäglicher Neugier gestraft bin, fand ich natürlich nichts daran, in diesem Kodex ein wenig zu lesen. Der Herr möge mir meine Neugier verzeihen. Und siehe da, was glaubt Ihr wohl, welch interessante Begebenheiten er schildert?«
»Ihr werdet mir es gleich sagen.«
Adam lächelte. »Der Kodex ist von einem irischen Mönch verfasst worden. Er beschreibt die Lanze, die sich einst in die Brust unseres Herrn Jesus Christus bohrte. Ich dachte mir, dass dieses Wissen für den Kaiser eine Gefahr
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