Die Larve
Chef, Mikael Bellman, ermittelten im Fall der Unterschlagung im Heidermuseum. Ich war der Verteidiger. Leider haben Sie damals den Fall gewonnen.«
Simonsen lachte wieder. So ein typisches, joviales, gutgläubiges Westlandlachen von diesen naiven Idioten, die in dem Glauben aufgewachsen sind, dass wir alle einander nur Gutes wollen und finanziell nie in Schwierigkeiten kommen. Truls hasste all die Simonsens dieser Welt.
»Berntsen, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Ich …« Truls Berntsen suchte nach Ausflüchten. Aber es war nicht gerade seine Stärke, spontan das Richtige zu tun, wenn er von Angesicht zu Angesicht mit … mit wem denn schon? Einem Menschen, von dem er ganz genau wusste, dass er schneller dachte als Truls selbst. Damals in Alnabru war das okay gewesen, bei den zwei Jugendlichen hatte er schnell das Kommando übernehmen können. Aber Simonsen trug einen Anzug, war gebildet, redete anders, war überlegen … Scheiße!
»Ich wollte nur hallo sagen.«
»Hallo?«, sagte Simonsen, hörbar verwundert.
»Hallo«, erwiderte Berntsen und rang sich ein Lächeln ab. »Tja, lief damals nicht so gut für Sie. Beim nächsten Mal wischen Sie dann uns eins aus.«
Dann ging er mit raschen Schritten auf den Ausgang zu. Spürte Simonsens Blick im Rücken. Scheiße schaufeln, Scheiße fressen. Der Teufel soll sie alle holen.
Versuchen Sie es bei diesem Anwalt, und wenn das nichts bringt, gehen Sie zu einem Typ namens Chris Reddy, auf der Straße nennt man ihn Adidas.
Der Speeddealer. Truls hoffte nur, dass sich ihm bei der Festnahme irgendwie die Gelegenheit bot, wenigstens ein Mal zuzuschlagen.
Harry schwamm zum Licht, nach oben. Es wurde immer heller und heller. Dann brach er durch die Oberfläche. Öffnete die Augen und starrte direkt in den Himmel. Er lag auf dem Rücken. Etwas kam in sein Blickfeld. Ein Pferdekopf, dann noch einer.
Er hielt sich die Hand über die Augen. Auf einem der Pferde saß jemand, aber das Licht blendete ihn.
Die Stimme kam wie von weit her.
»Hatten Sie nicht gesagt, Sie wären schon einmal geritten, Harry?«
Harry rappelte sich stöhnend auf, während er sich zu erinnern versuchte, was eigentlich geschehen war. Balder war über den Graben gesprungen und mit den Vorderbeinen auf der anderen Seite gelandet, wobei Harry mit dem Kopf gegen Balders Nacken gestoßen war, die Füße den Halt in den Steigbügeln verloren hatten und er seitlich vom Pferd gerutscht war. Die Zügel hatte er dabei weiterhin krampfhaft festgehalten, so dass er Balder erst mit sich zu Boden gezogen und dann wild mit den Füßen gestrampelt hatte, damit nicht eine halbe Tonne Pferd auf ihm landete.
Sein Rücken fühlte sich an, als wäre er durchgebrochen, alles andere schien aber noch einigermaßen heil zu sein.
»Der Ackergaul von meinem Opa ist nicht über Schluchten gesprungen«, sagte Harry.
»Schluchten?«, sagte Isabelle Skøyen lachend und reichte ihm Balders Zügel.
»Das ist doch nur ein kleiner Graben, nicht mal fünf Meter breit. Ich springe ja schon ohne Pferd weiter. Ich wusste nicht, dass Sie so ein Weichei sind, Harry. Wer als Erster auf dem Hof ist?«
»Balder?«, sagte Harry und tätschelte das Maul des Pferdes, während sie Isabelle Skøyen auf Medusa über das Feld verschwinden sahen. »Kennst du dich mit der Gangart entspanntes Schlendern aus?«
Harry hielt an einer Tankstelle an der E6 und kaufte sich einen Kaffee. Er setzte sich ins Auto und blickte in den Spiegel. Isabelle hatte die Schürfwunde auf seiner Stirn mit einem Pflaster versorgt, ihn eingeladen, mit ihr zur Premiere von Don Giovanni in die Oper zu gehen (»… ich finde einfach kein Date, das mir über das Kinn reicht, wenn ich meine hohen Schuhe anziehe, und das sieht in den Zeitungen dann immer so blöd aus …«), und ihn zum Abschied heftig umarmt. Harry griff nach dem Telefon und rief die Nummer zurück, von der aus jemand versucht hatte, ihn zu erreichen.
»Wo bist du gewesen?«, fragte Beate.
»Auf dem Feld«, sagte Harry.
»An dem Tatort in Gardermoen war nicht viel zu finden. Meine Leute haben alles bis ins letzte Detail abgesucht und jedes Körnchen Staub eingesammelt, aber nichts. Wir haben bloß herausgefunden, dass es sich bei den Nägeln um ganz gewöhnliche Stahlnägel handelt, allerdings mit extrabreiten Aluminiumköpfen, und dass der Ziegel vermutlich aus einem Mietshaus in Oslo stammt, das Ende des neunzehnten Jahrhunderts errichtet worden ist.«
»Aha?«
»Im Mörtel waren
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