Die Larve
doch nicht, Oslo braucht nicht noch mehr kluge Banditen.«
»Na dann«, sagte ich. »Es ist aber vielleicht auch nicht so schlau, mit einer Leiche im Kofferraum an einer Bushaltestelle zu parken.«
»Stimmt«, sagte Berntsen. »Also los, steigt schon aus.«
»Die Leiche …?«
»Darum kümmere ich mich.«
»Wo …?«
»Das geht euch einen Scheißdreck an. Raus!«
Wir stiegen aus und sahen Berntsens Saab mit Vollgas davonfahren.
»Von jetzt ab sollten wir uns von dem Typ fernhalten«, sagte ich.
»Warum?«
»Er hat einen Mann getötet, Oleg. Er muss alle physischen Beweise beseitigen. Zuerst sucht er jetzt nach einem Ort, an dem er den Toten verstecken kann. Aber danach …«
»Muss er alle Zeugen beseitigen.«
Ich nickte und fühlte mich verdammt beschissen. Dann versuchte ich mich an einem optimistischen Gedanken. »Hört sich an, als wüsste er ein echt gutes Versteck für Tutu, nicht wahr?«
»Ich wollte von dem Geld gemeinsam mit Irene nach Bergen ziehen«, sagte Oleg.
Ich sah ihn an.
»Ich habe da einen Jura-Studienplatz gekriegt. Irene ist in Trondheim, zusammen mit Stein. Ich dachte, ich könnte da hochfahren und sie überreden.«
Als wir mit dem Bus in die Stadt fuhren, ertrug ich Olegs leeren Blick einfach nicht mehr, wir mussten den wirklich dringend mit irgendetwas füllen.
»Komm«, sagte ich.
Während ich ihm im Probenraum eine Spritze aufzog, bemerkte ich, wie ungeduldig er mich ansah, als hätte er am liebsten eingegriffen oder meinte, ich würde das nicht richtig machen. Aber erst als er den Ärmel seines Hemdes nach oben schob, kapierte ich, wieso. An seinem ganzen Unterarm waren Einstichstellen.
»Nur bis Irene zurückkommt«, sagte er.
»Hast du auch schon dein eigenes Besteck und ein anständiges Versteck?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Nee, das ist gestohlen worden.«
An diesem Abend brachte ich ihm bei, wo und wie man sich ein gutes Versteck schuf.
Truls Berntsen wartete über eine Stunde im Parkhaus, bis endlich ein Auto über die Rampe nach oben fuhr und auf dem letzten freien Platz der Anwaltskanzlei Bach & Simonsen parkte. Truls war zu dem Schluss gekommen, dass dies der richtige Ort war, nur zwei Autos waren im Laufe der Stunde, die er gewartet hatte, durch diesen Teil des Parkhauses gekommen, und Überwachungskameras gab es auch keine. Truls warf einen Blick auf das Nummernschild, um sicherzugehen, dass es das richtige Auto war. Über AUTOSYS hatte er sich vorher über das Kennzeichen informiert. Hans Christian Simonsen schlief morgens gerne lang. Wenn er denn schlief, vielleicht war er ja auch mit irgendeiner Frau zusammen. Der Mann, der aus dem Wagen stieg, hatte einen jugendlichen, blonden Pony, der Truls an die Frisuren der schmierigen Typen von der Westküste erinnerte, die mit ihm zusammen zur Schule gegangen waren.
Truls Berntsen setzte eine Sonnenbrille auf, schob die Hand in die Jackentasche und legte die Finger um den Schaft seiner Waffe, eine halbautomatische, österreichische Pistole der Marke Steyr. Seine Dienstwaffe hatte er im Büro gelassen, er wollte dem Anwalt möglichst wenige Anhaltspunkte bieten. Er ging schnell, um Simonsen den Weg abzuschneiden, der noch immer zwischen den Autos stand. Eine Drohung hatte die größte Wirkung, wenn sie schnell und aggressiv vorgebracht wurde. Nur wenn das Opfer keine Gelegenheit hat, andere Gedanken als die Angst um das eigene Leben zu mobilisieren, bekommt man gleich, was man will.
Es fühlte sich an, als hätte er Brausepulver in den Adern, es rauschte und pochte in seinen Ohren, in den Leisten und in seinem Hals, und er stellte sich vor, was geschehen würde, wenn er den Lauf der Pistole dicht vor Simonsens Gesicht hielt, so dass dieser sich später an nichts anderes erinnern würde. »Wo ist Oleg Fauke? Antworten Sie schnell und direkt, sonst töte ich Sie.« Dann die Antwort. Und: »Wenn Sie jemanden warnen oder auch nur über diese Begegnung reden, kommen wir zurück und töten Sie. Verstanden?« Ja. Ansonsten nur gelähmtes Nicken. Vielleicht ein unfreiwilliges Wasserlassen. Truls lächelte bei dem Gedanken. Ging schneller. Das Pochen erreichte jetzt auch seinen Bauch.
»Simonsen!«
Der Anwalt blickte auf. Und sein Gesicht leuchtete auf. »Oh, hallo, Berntsen, Truls Berntsen, nicht wahr?«
Truls’ rechte Hand fror in der Manteltasche ein. Und er musste ihn entgeistert angesehen haben, denn Simonsen lachte herzlich. »Ich habe ein gutes Gedächtnis für Gesichter, Berntsen. Sie und Ihr
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