Die Larve
dann. Fünfzigtausend.«
Den Rest . Er sprach davon, Hole das Leben zu nehmen. Er sprach von Mord. Mord an einem Polizisten .
Truls öffnete seinen Mund, um abzulehnen, aber die Stimme im Fond des Wagens kam ihm zuvor.
»Euro.«
Truls Berntsens Nein havarierte irgendwo zwischen Hirn und Stimmbändern, stattdessen wiederholte er die Worte, die er gehört hatte, aber nicht glauben konnte.
»Fünfzigtausend Euro ?«
»Und?«
Truls sah auf die Uhr. Ihm blieben noch rund elf Stunden. Er räusperte sich.
»Woher wissen Sie, dass er um Mitternacht in seinem Zimmer sein wird?«
»Weil er weiß, dass wir kommen.«
»Hä?«, sagte Truls. »Sie meinen doch wohl, dass er das nicht weiß?«
Die Stimme hinter ihm lachte. Sie hörte sich irgendwie wie ein Fischerboot an. Dunk, dunk …
Kapitel 31
E s war vier Uhr, und Harry stand in der neunzehnten Etage des Radisson Plaza Hotels unter der Dusche. Er hoffte, dass das Klebeband das warme Wasser vertrug, auf jeden Fall linderte der heiße Strahl für einen Moment die Schmerzen. Er hatte den Raum 1937 bekommen, und dieser seltsame Zufall war einen Moment lang durch seinen Kopf gegeistert, als er den Schlüssel entgegengenommen hatte. Das Jahr, in dem der König geboren ist, Koestler, Synchronizität und all das Zeugs. Harry glaubte nicht daran, sondern vertraute eher auf die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Muster zu finden. Auch wenn es keine wirklichen Muster gab. Deshalb hatte er als Ermittler immer alles hinterfragt. Gezweifelt und gesucht, gesucht und gezweifelt. Muster gesehen, aber die Schuldfrage offengelassen. Oder umgekehrt.
Harry hörte das Telefon klingeln. Diskret und angenehm, aber doch hörbar. Der Klang eines teuren Hotels. Er drehte die Dusche ab und ging zum Bett. Nahm den Hörer ab.
»Hier unten ist eine Dame für Sie«, sagte der Mann am Empfang. »Rakel Fauske. Entschuldigung, Fauke , sagt sie. Sie hat etwas für Sie, das sie Ihnen gerne nach oben bringen möchte.«
»Geben Sie ihr den Aufzugschlüssel und schicken Sie sie hoch«, sagte Harry und warf einen Blick auf seinen Anzug, den er in den Schrank gehängt hatte. Man konnte meinen, er habe zwei Weltkriege hinter sich. Er öffnete die Tür und wickelte sich das mehrere Quadratmeter große Badetuch um die Hüften. Dann setzte er sich aufs Bett und lauschte. Erst war das Pling des Aufzugs zu hören, dann ihre Schritte. Die etwas harten, kurzen Schritte mit der hohen Frequenz, als trüge sie einen engen Rock, waren ihm noch immer vertraut. Er schloss die Augen für einen Moment, und als er sie wieder öffnete, stand sie vor ihm.
»Hallo, du nackter Mann«, sagte sie lächelnd, stellte die Tüten auf dem Boden ab und setzte sich neben ihn aufs Bett. »Was ist das denn?« Sie fuhr mit den Fingern über das Klebeband.
»Bloß ein improvisiertes Pflaster«, sagte er. »Du hättest nicht selbst zu kommen brauchen.«
»Ich weiß«, sagte sie. »Aber ich konnte keine Kleider von dir finden. Die sind bei dem Umzug nach Amsterdam irgendwie verschwunden.«
Weggeschmissen, dachte Harry. Verständlich.
»Aber dann habe ich mit Hans Christian gesprochen, und der hat einen Schrank voller Sachen, die er nicht mehr braucht. Nicht ganz dein Stil, aber größenmäßig müsste das passen.«
Sie öffnete eine der Tüten, und Harry sah mit Grauen, wie sie ein Lacoste-Shirt, vier frisch gebügelte Unterhosen, eine Armani-Jeans mit Bügelfalte, einen Pulli mit V-Ausschnitt, eine Timberland-Jacke, zwei Hemden mit Polospielern und sogar ein Paar Schuhe aus weichem, braunem Leder hervorholte.
Sie hängte die Sachen langsam in den Schrank, bis er aufstand und ihr die Arbeit abnahm. Sie blieb neben ihm stehen und schob sich lächelnd eine Haarsträhne hinter die Ohren.
»Du wolltest dir wohl erst neue Sachen kaufen, wenn der Anzug da in Fetzen von dir herabhängt, oder?«
»Nun«, sagte Harry und schob die Bügel zur Seite. Die Kleider waren fremd, rochen aber irgendwie vertraut. »Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mir doch schon Gedanken über ein neues Hemd und eventuell ein paar Unterhosen gemacht.«
»Du hast nicht mal saubere Unterhosen?«
Harry sah sie an. »Definier mal sauber.«
»Harry!« Sie schlug ihm lachend auf die Schulter.
Er lächelte. Ihre Hand blieb auf seiner Schulter liegen.
»Du bist warm«, sagte sie. »Hast du Fieber? Bist du sicher, dass sich das da unter deinem improvisierten Pflaster nicht entzündet hat?«
Er schüttelte lächelnd den Kopf. Dabei wusste er, dass die Wunde sich
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