Die Larve
»echt fett« oder »crazy go-good«, entschied sich dann aber für ein simples »… toll«.
Nina kam mit Kaffee und Spiegelei, während Harry auch noch Hans Christians Nummer wählte. Sie sah ihn mahnend an. Das Schrøder hatte ungeschriebene Regeln, was den Gebrauch von PC s, Brettspielen und Handys anging. Dies war ein Ort zum Trinken, vorzugsweise Bier, zum Essen oder zum Reden, wenn man es nicht vorzog, zu schweigen oder allenfalls noch Zeitung zu lesen. Mit einem Buch hätte man sich vermutlich bereits in der Grauzone bewegt.
Harry signalisierte ihr, dass es nur ein paar Sekunden dauern würde, und erntete von Nina ein gnädiges Nicken.
Hans Christian hörte sich gleichermaßen erleichtert und entsetzt an: »Harry? Verdammt, echt, wie ist es gelaufen?«
»Auf einer Skala von eins bis zehn …«
»Ja?«
»Hast du von der Schießerei in der Madserud allé gehört?«
»Oh, verdammt, warst du das?«
»Hast du eine Waffe, Hans Christian?«
Harry glaubte, den anderen schlucken hören zu können.
»Brauche ich die, Harry?«
»Nicht du. Aber ich.«
»Harry …«
»Nur zur Selbstverteidigung. Für den Fall.«
Pause. »Ich habe nur ein altes Jagdgewehr von meinem Vater. So eine Elchbüchse.«
»Hört sich gut an. Kannst du die holen, irgendwie einpacken und im Laufe der nächsten Dreiviertelstunde ins Restaurant Schrøder bringen?«
»Ich kann es versuchen. W-was hast du vor?«
»Ich«, sagte Harry und begegnete Ninas warnendem Blick am Tresen, »… werde jetzt frühstücken.«
Als Truls Berntsen sich dem Gamlebyen Friedhof näherte, sah er eine schwarze Limousine vor dem Tor parken, durch das er für gewöhnlich den Friedhof betrat. Kurz bevor er bei ihr war, öffnete sich die Tür auf der Beifahrerseite, und ein Mann in einem schwarzen Anzug stieg aus. Er musste deutlich über zwei Meter groß sein, hatte einen kräftigen Unterkiefer, einen glatten Pony und etwas undefinierbar Asiatisches, das Truls spontan an Samen, Finnen oder Russen denken ließ. Die notgedrungen maßgeschneiderte Jacke war an den Schultern trotzdem etwas eng.
Der Mann trat zur Seite und gab Truls mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er seinen Platz auf dem Beifahrersitz einnehmen sollte.
Truls wurde langsamer. Wenn das Dubais Leute waren, war das ein unerwarteter Bruch der Regel, nie direkten Kontakt aufzunehmen. Er sah sich um. Sonst war niemand zu sehen.
Er zögerte.
Wollten sie sich von ihrem Brenner trennen, war dies vermutlich die richtige Vorgehensweise.
Er musterte den großen Mann. Sein Gesichtsausdruck war unergründlich, und Truls war unsicher, ob er es als gutes Zeichen deuten sollte, dass dieser Riese sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, eine Sonnenbrille aufzusetzen.
Natürlich könnte er einfach kehrtmachen und das Weite suchen. Aber was dann?
Q5, murmelte Truls leise vor sich hin und stieg ins Auto ein.
Gleich darauf wurde die Tür geschlossen. Im Wagen wurde es merkwürdig dunkel, sicher ein Effekt der getönten Scheiben. Auch die Klimaanlage schien ungewöhnlich effektiv zu sein, denn drinnen war es so kalt, dass Truls an Frost denken musste. Auf dem Fahrersitz saß ein Mann mit einem Gesicht wie ein Vielfraß. Auch er trug einen schwarzen Anzug und hatte glatte Haare. Bestimmt ein Russe.
»Gut, dass Sie kommen konnten«, sagte eine Stimme hinter Truls. Er brauchte sich nicht umzudrehen. Der Akzent sprach für sich. Das war Dubai. Der Mann, den niemand kannte. Den sonst niemand kannte. Aber was nützte es Truls, einen Namen zu kennen und ein Gesicht? Man beißt doch nicht die Hand, die einen füttert.
»Ich möchte, dass Sie eine Person für uns suchen.«
»Suchen?«
»Finden, und uns übergeben. Alles Weitere braucht Sie nicht zu interessieren.«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich nicht weiß, wo Oleg Fauke ist.«
»Es geht nicht um Oleg Fauke, Berntsen. Es geht um Harry Hole.«
Truls Berntsen traute seinen Ohren nicht. »Harry Hole?«
»Wissen Sie nicht, wer das ist?«
»Klar weiß ich das. Der war im Morddezernat, ein total verrückter Typ. Alkoholiker. Hat ein paar Fälle gelöst. Ist er in der Stadt?«
»Er wohnt im Leons. Zimmer 301. Holen Sie ihn da heute Nacht ab, und zwar exakt um Mitternacht.«
»Und wie soll ich ihn da ›abholen‹?«
»Nehmen Sie ihn fest. Schlagen Sie ihn nieder. Sagen Sie, dass Sie ihm Ihr Boot zeigen wollen. Es ist mir vollkommen egal, wie Sie das machen. Hauptsache, Sie bringen ihn in den Yachthafen Kongen. Um den Rest kümmern wir uns
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