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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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verantwortungsbewusst zu wirken, auf das Vertrauen in das Volk zu setzen. Aus den Mündern der Parteigenossen hörte sich das Recht zu schwänzen gar wie eine soziale Reform an. Die Fortschrittspartei war aber auch nicht besser, sie erkaufte sich ihre Wählerstimmen erschreckend unverblümt mit Steuererleichterungen.
    Den ganzen Tag über hatte er nachgedacht, war seine Waffen durchgegangen, hatte sie geladen und überprüft und sich mehrfach versichert, dass die Wohnungstür verschlossen war und keine unbekannten Autos auf den Parkplatz gefahren waren. Er beobachtete alles durch das Zielfernrohr der Märklin, der großen Attentatswaffe, die in einem Fall vor zehn Jahren fast zum Einsatz gekommen wäre und von der der Zuständige der Asservatenkammer des K1 noch immer glaubte, er habe sie in seinem Lager. Truls wusste, dass er früher oder später nach draußen musste, um sich etwas zu essen zu kaufen, hatte aber gewartet, bis es dunkel und ziemlich einsam war. Erst kurz vor elf, unmittelbar bevor der Rimi schloss, hatte er sich seine Steyr geschnappt und war nach draußen geschlichen und zum Supermarkt gejoggt. Drinnen hatte er mit einem Auge die Waren studiert und mit dem anderen die wenigen Kunden beobachtet. Er hatte sich eine Wochenration Fjordland Frikadellen gekauft. Kleine durchsichtige Tüten mit gepellten Kartoffeln, Frikadellen, Erbsenpüree und Sauce. Er brauchte diese Packungen nur ein paar Minuten in kochendes Wasser zu legen, dann konnte er sie aufschneiden und den Inhalt mit einem leisen Gurgeln auf den Teller gleiten lassen. Schloss man die Augen, erinnerte dieses Zeug wirklich an richtiges Essen.
    Truls Berntsen stand gerade wieder vor der Tür seines Wohnblocks und steckte den Schlüssel in das Schloss, als er hinter sich im Dunkeln schnelle Schritte hörte. Er wirbelte verzweifelt herum und hatte die Hand bereits am Schaft der Waffe, die in seiner Tasche steckte, als er in das erschrockene Gesicht von Vigdis A. blickte.
    »Ha… habe ich Sie erschreckt?«, stammelte sie.
    »Nein«, sagte Truls kurz angebunden und ging hinein, ohne ihr die Tür aufzuhalten. Er hörte aber, dass es ihr gelang, ihren fülligen Körper durch den Spalt zu quetschen, bevor die Tür ins Schloss fiel.
    Er drückte auf den Fahrstuhlknopf. Natürlich hatte sie ihn erschreckt, schließlich hatte er sibirische Kosaken am Hals!
    Vigdis A. keuchte hinter ihm. Auch sie war eine von diesen übergewichtigen Matronen, von denen es inzwischen viel zu viele gab. Nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte, sich mit ihr einzulassen, aber warum sagte niemand freiheraus, dass norwegische Frauen so dick geworden waren, dass sie nicht nur an einer dieser Folgekrankheiten eingehen, sondern auch noch die Reproduktion der Rasse verhindern und das Land entvölkern würden. Denn welcher Mann war schlussendlich schon bereit, sich durch eine solche Menge Fleisch zu wühlen? Abgesehen von ihrem eigenen natürlich.
    Der Fahrstuhl kam, und die Mechanik schrie vor Schmerz auf, als sie eintraten.
    Er hatte gelesen, dass die Männer im Durchschnitt auch nicht weniger an Gewicht zugelegt hatten, aber irgendwie wirkten die dadurch nur größer und stärker. Wie er selbst auch. Und verdammt, er sah jetzt wirklich besser aus als mit zehn Kilo weniger. Frauen hingegen kriegten dieses schwabbelnde, zitternde Fett. Wenn er das sah, hatte er immer diese unbändige Lust, zuzutreten und zu beobachten, wie sein Fuß in all dem Weichen versank. Obwohl alle wussten, dass das Fett die neue Krebsgeschwulst war, wehrten sie sich gegen den Schlankheitswahn und zelebrierten die neue Weiblichkeit. Als wäre das Untrainierte, das Überfütterte eine Art unverfälschtes Ideal. Ja, als müsse man sich wirklich mit dem Körper zufriedengeben, den man hatte. Irgendwie kam es ihm so vor, als wären ihnen hundert Herz-Kreislauf-Tote lieber als ein Todesfall durch Magersucht. Und inzwischen sah sogar Martine so aus. Klar, sie war schwanger, das wusste er, aber trotzdem konnte er sich nicht von dem Gedanken befreien, dass auch sie jetzt eine von denen war.
    »Ist Ihnen kalt, Sie sehen aus, als würden Sie frieren?«, fragte Vigdis A. und lächelte.
    Truls wusste nicht, was das A. sollte, aber der Name stand so an ihrer Klingel, Vigdis A. Am liebsten hätte er ihr eine gescheuert, ihr mit voller Wucht eine rechte Gerade verpasst. Bei ihren aufgeblasenen Speckbacken brauchte er sich nicht einmal um seine Knöchel zu sorgen. Oder sie gefickt, oder beides.
    Truls wusste, warum er so

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