Die Larve
worden. Wenn er aber wartete, bis Hole unter der Laterne am Parkplatz war, hatte er noch bessere Sicht- und Schussverhältnisse. Ein weiterer Vorteil war, dass um diese Uhrzeit kein Mensch auf dem Parkplatz war und Truls kaum Mühe damit haben würde, Holes Leiche in sein Auto zu bugsieren.
Einen Anwalt instruiert? Blödsinn. Andererseits musste er sicherheitshalber wohl auch überlegen, diesen Hans Christian Simonsen zu eliminieren.
Hole näherte sich. Der Nacken. Oder der Kopf. Die schusssichere Weste reichte bis ganz weit oben und war höllisch schwer. Er zog den Abzug nach hinten.
Eine leise, kaum hörbare Stimme sagte, dass er das nicht tun solle. Dass das Mord wäre. Truls Berntsen hatte nie zuvor getötet. Nicht direkt. Tord Schultz hatte nicht er auf dem Gewissen, das waren die Höllenhunde von Asajev gewesen. Und Gusto? Ja, verdammt, wer hatte diesen Gusto ins Jenseits befördert? Nicht er jedenfalls. Mikael Bellman. Oder Isabelle Skøyen?
Die leise Stimme verstummte, und das Fadenkreuz saß wie aufgeklebt auf Holes Hinterkopf. Kapoff! Er stellte sich vor, wie es spritzte. Drückte den Abzug weiter. Zwei Sekunden, und Hole war im Lichtkegel. Schade, dass er das nicht filmen und auf DVD brennen konnte. Das wäre weit besser als Megan Fox, mit oder ohne Fjordland Frikadellen.
Kapitel 40
T ruls Berntsen atmete tief und langsam. Sein Puls war gestiegen, er hatte ihn aber noch unter Kontrolle.
Harry Hole war jetzt ins Licht getreten, die perfekte Zielscheibe.
Wirklich schade, dass man das nicht filmen konnte …
Truls Berntsen zögerte.
Schnell denken war nie seine starke Seite gewesen.
Er war nicht dumm, nur eben manchmal ein bisschen langsam.
Als Kind hatte ihn besonders diese Eigenschaft von Mikael unterschieden, der immer für sie gedacht und geredet hatte. Dabei hatte auch Truls irgendwann alles verstanden. Wie er auch jetzt verstand, wie sich das mit der auf der Liste fehlenden Adresse verhielt und dass er Harry Hole nicht umbringen durfte, noch nicht. Ein einfaches Rechenexempel, würde Mikael sagen. Hole hatte es auf Rudolf Asajev abgesehen und auf Truls, aber eben in dieser Reihenfolge. Und wenn Hole Asajev wirklich zur Strecke brachte, wäre eines von Truls’ Problemen immerhin beseitigt. Genauso, wenn Asajev Hole tötete. Andererseits …
Harry Hole stand noch immer im Licht.
Truls’ Finger spannte sich weiter. Er war im Kriminalamt der zweitbeste Gewehrschütze gewesen, und der beste Pistolenschütze.
Er atmete aus. Sein Körper war vollkommen entspannt, würde nicht unkontrolliert zucken. Dann atmete er wieder ein.
Und ließ das Gewehr sinken.
Der Blindernveien lag hell erleuchtet vor Harry. Er führte wie eine Berg-und-Tal-Bahn durch eine hügelige Gegend mit älteren Villen, großen Gärten, Universitätsgebäuden und offenen Wiesenflächen.
Er wartete, bis die Lichter des Taxis, dessen Fahrer er gebeten hatte, vor dem Haus Nummer 68 zu halten, verschwunden waren, und ging los.
Es war vier Minuten vor eins, und auf der Straße war kein Mensch zu sehen.
Der Blindernveien 74 lag hinter einem drei Meter hohen Zaun, etwa fünfzig Meter von der Straße entfernt. Neben dem Haus stand ein zylinderförmiger Bau mit einer Höhe und einem Durchmesser von etwa vier Metern, der irgendwie an einen Wasserturm erinnerte. Harry hatte solche Türme in Norwegen noch nie gesehen, ihm fiel aber auf, dass auch das Nachbarhaus einen solchen Turm hatte. Zu der Treppe der großen Holzvilla führte tatsächlich eine gekieste Auffahrt, und über der dunklen Haustür aus vermutlich solidem Holz brannte eine einzelne Lampe.
Hinter zwei Fenstern im Erdgeschoss brannte Licht, ebenso hinter einem Fenster oben im ersten Stock.
Harry stellte sich auf der anderen Straßenseite in den Schatten einer Eiche, nahm den Rucksack ab und öffnete ihn. Er bereitete die Riot Gun vor und setzte die Gasmaske auf den Kopf, so dass er sie nur noch nach unten über das Gesicht zu ziehen brauchte.
Der Regen würde ihm hoffentlich helfen, nah genug an das Haus heranzukommen. Dann überprüfte er, ob die kurze MP 5 -Pistole geladen und entsichert war.
Die Zeit war reif.
Aber die Betäubung ließ langsam nach.
Er nahm die Flasche Jim Beam aus der Manteltasche und schraubte den Deckel ab. Unten in der Flasche war nur noch eine kleine Pfütze. Noch einmal glitt sein Blick zur Villa. Dann zur Flasche. Wenn das gelang, würde er hinterher einen Schluck brauchen. Er drehte die Flasche wieder zu und steckte sie zu dem
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