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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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mildernder Umstand gedeutet werden.«
    »Hm, dafür müsste er sich aber erst einen Schuss gesetzt und dann Gusto Hanssen umgebracht haben. Wo bleibt da das Motiv?«
    Beate sah Harry ausdruckslos an. »Das Motiv?«
    Er wusste, was sie dachte. Ist es wirklich vorstellbar, dass ein Drogenabhängiger einen anderen Drogenabhängigen aus einem anderen Grund als Drogen umbringt?
    »Wenn Oleg schon high war, warum sollte er dann noch jemanden töten?«, fragte er. »Dopemorde wie der hier sind in der Regel doch spontane Handlungen voller Verzweiflung, gesteuert von dem zunehmenden Turkey.«
    »Das Motiv ist deine Baustelle«, sagte Beate. »Ich bin die Kriminaltechnikerin.«
    Harry atmete tief durch. »Okay, sonst noch etwas?«
    »Ich habe damit gerechnet, dass du Bilder sehen wolltest«, sagte Beate und öffnete eine schmale Ledermappe.
    Harry nahm den Stapel Fotografien entgegen. Als Erstes fiel ihm auf, wie schön dieser Gusto war. Er hatte keine anderen Worte dafür. Schön. Attraktiv war nicht passend. Sogar tot, mit geschlossenen Augen und blutdurchtränktem Hemd, hatte Gusto Hanssen die undefinierbare, aber offenkundige Schönheit eines jungen Elvis Presley. Ein Aussehen, das Männer wie Frauen gleichermaßen anzog. Wie bei den androgynen Götterbildern, die man in allen Religionen findet. Er blätterte weiter. Nach dem ersten Übersichtsfoto war der Fotograf näher an das Opfer herangetreten und hatte das Gesicht und die Schusswunden abgelichtet.
    »Was ist das da?« Er zeigte auf Gustos rechte Hand.
    »Er hatte Blut unter den Nägeln. Wir haben Proben genommen, aber die wurden leider zerstört.«
    »Zerstört?«
    »So etwas passiert, Harry.«
    »Nicht in deiner Abteilung.«
    »Das war auf dem Weg zur DNA -Analyse in der Gerichtsmedizin. Aber eigentlich war das für uns kein Drama. Das Blut war zwar relativ frisch, aber doch schon so alt, dass es auf keinen Fall etwas mit dem Tatzeitpunkt zu tun haben konnte. Und da das Opfer drogenabhängig war und sich ständig selbst gespritzt hat, gingen wir ohnehin davon aus, dass es sich um sein eigenes Blut handelte. Aber …«
    »Aber wenn nicht, ist es immer gut zu wissen, mit wem er sich noch am selben Tag geprügelt hat. Guck mal seine Schuhe …« Er zeigte Beate das Übersichtsbild. »Sind das nicht Alberto Fasciani?«
    »Ich wusste ja gar nicht, dass du dich so gut mit Schuhen auskennst, Harry?«
    »Einer meiner Klienten in Hongkong produziert die.«
    »Klienten? Und werden die echten Fasciani nicht in Italien hergestellt?«
    Harry zuckte mit den Schultern. »Man sieht keinen Unterschied, wirklich. Aber wenn das Alberto-Fasciani-Schuhe sind, passen die nun wirklich nicht zu seinen übrigen Kleidern, aber es kann natürlich sein, dass er die im Fyrlyset bekommen hat.«
    »Wenn er sie nicht gestohlen hat«, sagte Beate. »Gusto Hanssen wurde auch ›der Dieb‹ genannt. Er war bekannt dafür, alles zu stehlen, was er in die Finger bekam, vor allem Dope. In Schweden soll er mal einen ausrangierten Drogenhund geklaut haben, um damit die Verstecke seiner Kollegen auszukundschaften!«
    »Vielleicht hatte er Olegs Versteck gefunden«, sagte Harry. »Hat er im Verhör etwas gesagt?«
    »Nee, der ist noch immer stumm wie ein Fisch. Er wiederholt immer nur, dass in seiner Erinnerung alles schwarz ist und dass er sich nicht einmal mehr daran erinnern kann, in der Wohnung gewesen zu sein.«
    »Vielleicht war er ja wirklich nicht da.«
    »Wir haben seine DNA gefunden, Harry. Haare und Schweiß.«
    »Er hat ja da gewohnt und geschlafen.«
    »Auf der Leiche, Harry.«
    Harry blieb wortlos stehen und starrte vor sich hin.
    Beate hob die Hand, vielleicht um sie ihm auf die Schulter zu legen, doch dann entschied sie sich anders und ließ sie wieder sinken. »Hast du schon mit ihm gesprochen?«
    Harry schüttelte den Kopf. »Er hat mich rausgeschmissen.«
    »Er schämt sich.«
    »Bestimmt.«
    »Ich meine das wirklich so. Du bist sein Vorbild. Es demütigt ihn, dass du ihn so siehst.«
    »Demütigt? Ich habe dem Jungen die Tränen getrocknet, seine aufgeschlagenen Knie versorgt und nachts Gespenster gejagt und das Licht angelassen.«
    »Den Jungen gibt es nicht mehr, Harry. Der Oleg, den es jetzt gibt, will keine Hilfe von dir, sondern wie du leben.«
    Harry stampfte mit dem Fuß auf und starrte an die Wand. »Ich bin weiß Gott kein Vorbild, Beate. Das sollte er eigentlich wirklich kapiert haben.«
    »Harry …«
    »Gehen wir runter zum Fluss?«
    Sergej stand in seiner Wohnung vor dem

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