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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Rathausplatz ein Skateboard, das wir eine halbe Stunde später am Bahnhof gegen Speed eintauschten. Dann fuhren wir mit dem Schiff zur Hauptinsel, badeten und schnorrten Bier. Ein paar Frauen wollten mich unbedingt auf dem Segelboot ihres Vaters mitnehmen, und du bist vom Mast gesprungen und wärst um ein Haar auf dem Deck aufgeschlagen. An einem anderen Tag fuhren wir mit der Straßenbahn hinauf zum Ekeberg und bewunderten den Sonnenuntergang. Da oben lief gerade der Norway Cup, und ein traurig aussehender Fußballtrainer aus Trøndelag starrte mich so lange an, bis ich sagte, für einen Tausender würde ich ihm einen blasen. Er blätterte mir die Scheine hin, und ich wartete, bis ihm die Hose auf den Knöcheln hing, und lief los. Du hast mir später erzählt, er habe total verloren ausgesehen und sich dir zugewandt, als wollte er dich bitten, den Job zu übernehmen. Jeez , haben wir gelacht!
    Dieser Sommer ging echt nie zu Ende, bis dann irgendwann doch Schluss war. Wir nutzten deinen letzten Lohn für Joints, die wir in den bleichen, leeren Nachthimmel bliesen. Du wolltest wieder in der Schule anfangen, wolltest Supernoten kriegen und Jura studieren, genau wie deine Mutter. Und dann wolltest du auf die fucking Polizeischule! Wir haben Tränen gelacht.
    Aber wirklich, als die Schule anfing, habe ich dich immer seltener gesehen.
    Du wohntest da oben am Holmenkollåsen zusammen mit deiner Mutter, während ich auf einer Matratze in dem Probenraum einer Band kampierte. Die Musiker fanden das ganz in Ordnung, solange ich auf ihre Instrumente aufpasste und nicht da war, wenn sie probten. Also gab ich dich auf, dachte, dass du wieder heile zurück in deinem Streberleben warst.
    Etwa zu der Zeit habe ich mit dem Dealen angefangen.
    Eigentlich durch Zufall. Ich hatte eine Frau beklaut, bei der ich die Nacht über gewesen war. Also ging ich runter zum Bahnhof und fragte Tutu, ob er noch etwas Ice hätte. Tutu hatte ein übles Stotterproblem und war der Sklave von Odin, dem Chef der Los Lobos aus Alnabru. Seinen Namen hatte er bekommen, nachdem Odin ihn einmal mit einem Koffer voller Drogengeld nach Italien geschickt hatte. Tutu sollte dort in einem öffentlichen Wettbüro alles auf ein getürktes Spiel setzen. Die Heimmannschaft sollte 2 : 0 gewinnen. Odin hatte Tutu beigebracht, wie man »two-nill« sagte, aber Tutu war so nervös, dass er an der Luke ins Stottern kam, so dass der Buchmacher tu-tu hörte und das auch so vermerkte. Zwei Minuten vor Schluss führte die Heimmannschaft 2 : 0, alles war ruhig, nur Tutu nicht, der gerade auf seinem Teil der Quittung entdeckt hatte, dass er 2 : 2 getippt hatte. Er wusste, dass Odin ihm ins Knie schießen würde. Was das anging, war der Los-Lobos-Chef richtiggehend besessen. Doch dann kam Wendepunkt zwei. Auf der Reservebank der Gästemannschaft saß ein neu eingekaufter polnischer Stürmer, dessen Italienisch ebenso schlecht war wie Tutus Englisch, so dass er nicht verstanden hatte, dass das Spiel abgekartet war. Und als der Trainer ihn einwechselte, tat er, was er für das Richtige hielt und wofür er, wie er glaubte, bezahlt wurde: Er traf ins Netz. Zweimal. Tutu war gerettet. Als Tutu aber am selben Abend in Oslo landete und direkt zu Odin fuhr, um ihm von seinem Riesenglück zu erzählen, war es mit seinem Glück auch schon wieder aus. Er begann nämlich mit den schlechten Neuigkeiten, dass er Scheiße gebaut und das Geld auf das falsche Ergebnis gesetzt habe. Er war dabei so erregt und kam derart ins Stottern, dass Odin die Geduld verlor, den Revolver zückte und – Wendepunkt drei – Tutu ins Knie schoss, lange bevor dieser den Polen auch nur erwähnt hatte.
    Egal, Tutu sagte mir an diesem Abend in Oslo, dass Ice nicht mehr aufzu-t-t-treiben sei und ich mich mit P-p-pulver begnügen müsse. Das ist billiger und auch Methamphetamin, aber ich mag das Zeug einfach nicht. Ice besteht aus weißen, schönen Kristallen, die dir den Kopf von den Schultern schießen, während das gelbliche, stinkende Pulver, das man in Oslo bekam, mit Backpulver, Puderzucker, Aspirin, B12-Vitaminen und irgend so einer Omascheiße gestreckt war. Oder für Feinschmecker: mit gemörserten Schmerztabletten, die geschmacklich irgendwie an Speed erinnern. Ich kaufte trotzdem, was er hatte, und bekam sogar ein bisschen Mengenrabatt, so dass ich noch etwas Geld für Pepper hatte. Und da Amphetamin im Vergleich zu Methamphetamin die reinste Reformhauskost ist, nur ein bisschen langsamer eben, sniffte ich

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