Die Last der Schuld
»Stacie braucht mich hier.«
»Dann eben, wenn es Stacie wieder besser geht«, erwiderte Madeline, immer noch an Caleb gerichtet. »Sie sollten unbedingt vorbeikommen und die Familie kennenlernen. Wir veranstalten eine kleine Grillparty, und Lanas Vater kann Ihnen seine neuen Rosen zeigen.«
»Das wäre sehr freundlich, Madam«, sagte Caleb.
»Keine voreiligen Versprechungen, Mom«, schaltete Lana sich ein, bevor Caleb irgendetwas versprechen konnte. Er hatte keine Ahnung, worauf er sich da einlieÃe â in Madelines Augen waren sie vermutlich schon so gut wie verlobt. »Vielleicht habe ich ja nach der Benefizveranstaltung etwas mehr Zeit.«
»Du solltest dir mehr Zeit für deine Familie nehmen, Lana. Wir sind alles, was du noch hast.«
Das stimmte nicht. Sie hatte Stacie und die Stiftung. Und die Kinder. »Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt. Ich ruf dich an, sobald ich irgendetwas über Stacies Zustand erfahre.«
»Das klingt ja fast so, als wolltest du mich loswerden.«
Lana atmete tief ein. Abgesehen davon, dass sie mit Moms wohlgemeinter Einmischung nicht gut umgehen konnte, war ihre Familie umso sicherer, je weniger sie sich in deren Nähe aufhielt. Das durfte sie nicht vergessen. »Das will ich auch. Mir gehtâs gut, Mom. Es gibt keinen Grund, weshalb du noch länger bleiben müsstest. Du kennst Stacie doch kaum.«
»Ich bin nicht ihretwegen hier, Lana. Ich bin deinetwegen hier.«
Lana wollte am liebsten erwidern, dass sie sie nicht brauchte, doch das wäre zu grausam und kaltherzig gewesen. Stattdessen sagte sie: »Caleb ist bei mir. Ich komme schon klar.«
Wie um ihre Aussage zu untermauern, legte Caleb einen seiner breiten Arme um ihre Schultern und zog sie zu sich heran. »Ich werde Lana für Sie im Auge behalten«, versprach er Madeline.
Lana war zu schockiert, um sich zu bewegen. Sie stand einfach nur da und sog Calebs Wärme in sich auf. Seine Umarmung fühlte sich gut an. Viel zu gut. Calebs Unterstützung war etwas, an das sie sich ohne Weiteres gewöhnen könnte, und das war eine ernst zu nehmende Bedrohung für ihre mühsam erkämpfte Unabhängigkeit.
Madeline blickte von Lana zu Caleb, und jenes spekulative Funkeln blitzte erneut in ihren Augen auf. »Anscheinend habt ihr die Situation voll im Griff. Ruf mich an, wenn du mich brauchst, ja?«
Lana nickte. »Versprochen.«
Madeline umarmte Lana, sodass Caleb einen Schritt zurücktreten musste und seine beruhigende Wärme mitnahm. Es war seltsam, von einer Umarmung in die nächste gezogen zu werden, und Lana erlaubte sich den Luxus, dieses seltene Gefühl zu genieÃen.
Madeline wiederholte ihre mütterliche Geste bei Caleb, der das Ganze wie ein Mann ertrug und nachsichtig auf Madeline herablächelte. »Kümmern Sie sich gut um meine Kleine«, mahnte sie ihn in einem strengen Tonfall.
»Jawohl, Madam.« Er nickte feierlich.
»Ruf mich heute Abend an, oder ich komme rüber und werde bei dir übernachten. Selbst eine Mutter kann nur ein begrenztes Maà an Sorge ertragen«, sagte Madeline.
»Mach ich, Mom. Bis später.«
Madeline wandte sich ab und wischte sich im Hinausgehen ein paar frische Tränen von den Wangen. Ãrgerlicherweise verspürte Lana ein ähnliches Stechen in den Augen. Obwohl Madeline sich viel zu gern einmischte, liebte Lana ihre Mutter aus tiefstem Herzen.
»Ich hab das Gefühl, keine Macht der Welt könnte diese Frau aufhalten, wenn du sie wirklich brauchst«, sagte Caleb.
»Pass auf, was du sagst«, erwiderte Lana. »Sie hat dich begutachtet, als würde sie in dir ihren künftigen Schwiegersohn sehen.«
Lana erwartete einen überraschten oder gar entsetzten Blick, doch stattdessen sah Caleb sie seelenruhig an. »Meinst du?«
»Ich weià es.«
»Sie hat keine Ahnung, wer ich bin, oder?«
»Und das ist auch besser so. Sie könnte mit der Wahrheit nicht umgehen.«
Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch in diesem Moment trat ein Arzt in zerknitterter OP -Kleidung durch die Doppelflügeltür und steuerte geradewegs auf Lana zu.
Sie ging ihm händeringend entgegen. »Wie geht es ihr?«
»Gehören Sie zur Familie?«, fragte der Mann.
»Ich stehe ihr näher als ihre Familie. Sie arbeitet für mich.«
Dies schien ihn zufriedenzustellen. Er fuhr sich mit seiner eleganten
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