Die Last der Schuld
Worte zu finden. »Die haben euch als Geiseln genommen, um sich zu bewähren. Es ging ihnen einzig und allein darum, in die Terrororganisation aufgenommen zu werden, und dieses Video von Folter und Mord war sozusagen deren Bewerbungsmaterial. Denen war es egal, warum ihr dort wart. Die waren nur auf der Suche nach einem leichten Opfer â einer Gruppe unschuldiger Menschen, mit denen sie sich ihre Lorbeeren verdienen konnten.«
»Wir waren einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort?«
»Ich fürchte, mehr steckt leider nicht dahinter. Ihr hattet einfach nur Pech, euch gerade dort aufzuhalten. Aber wenn es euch nicht getroffen hätte, dann jemand anders.«
»Und diese Terrorgruppe, ist das der Schwarm, von dem Monroe gesprochen hat?«
Caleb nickte. »Es wundert mich, dass er dir überhaupt so viel erzählt hat.«
»Ich glaube, er ist davon ausgegangen, dass ich sowieso sterbe, insofern war es ihm wohl egal«, erklärte sie. »Aber er hat mir nie verraten, worauf die eigentlich aus waren.«
»Geld. Macht. Die kennen keine altruistischen Ideale. Die kämpfen nicht für ein hehres Ziel. Die töten jeden, wenn es ihnen nur hilft, ihrem Ziel näher zu kommen. Auf dieser Welt herrscht das Prinzip: Angst ist Macht. Und die meisten Menschen würden fast alles tun, um diejenigen, die sie lieben, zu schützen. Der Schwarm war sich dessen bewusst und bereit, es wie jedes andere Hilfsmittel einzusetzen.«
»Das soll also heiÃen, die foltern und töten für Geld?«
»Im GroÃen und Ganzen, ja. In eurem Fall ging es vor allem um Anerkennung. Prestige. Akzeptanz.«
»Aber wenn es denen in erster Linie um Geld und Macht geht, warum hatten sie es dann auf unschuldige Kinder abgesehen?«
Er zögerte, als müsste er sich erst überlegen, wie viel er ihr sagen sollte â oder auch nicht sagen sollte. »In manchen Fällen kann man einen Menschen nur zur Kooperation bewegen â um Informationen oder Sonstiges zu erpressen â , indem man droht, ihm das Einzige wegzunehmen, das ihm mehr bedeutet als seine Ehre oder Integrität.«
»Seine Kinder«, vermutete Lana.
Caleb nickte. »Das passiert leider häufiger, als man glauben möchte. Manchmal haben wir die Chance einzuschreiten, aber wenn es um ihre Kinder geht, wählen die Menschen meist den vermeintlich sicheren Weg.«
»Sie lenken ein.«
»Würdest du etwas anderes tun?«, fragte er.
Sie dachte an ihren Neffen, an ihre Schwester und an ihre Eltern. Es gab kaum etwas, das sie nicht tun würde, um ihre Familie zu beschützen, Ehre hin oder her. »Dein Beruf ist deutlich härter, als man es sich als AuÃenstehender vorstellt, oder?«
Er zuckte seine breiten Schultern, als wäre seine Meinung nicht von Belang. Es war nun mal sein Beruf.
»Ich bin froh, dass du das tust, was du tust. Wärst du nicht gewesen, wäre ich ebenfalls tot.«
»Ich hätte dich und die anderen beschützen müssen. Ich hätte einen Weg finden müssen, um euch alle zu retten.«
»Aber ich war dabei, Caleb. Ich weiÃ, gegen welches Unheil du kämpfen musstest. Du hast getan, was du tun konntest â das Einzige , was du tun konntest.«
Unruhig und nervös spielte sie mit dem weichen Stoff seines T-Shirts. Sie setzte sich nur ungern mit der Vergangenheit auseinander, doch es gab eine Sache, die sie Caleb unbedingt sagen musste. Das war sie ihm schuldig. »Ich habe dich lange gehasst für das, was du getan hast. Ich weiÃ, es war unfair â du hast nur deine Arbeit gemacht â , aber du warst nun mal ein willkommener Sündenbock, und ich brauchte diese Wut, um meinen Genesungsprozess irgendwie durchzustehen â um irgendwie weitermachen zu können.«
Er schloss die Augen, als würden ihm ihre Worte Qualen bereiten. »Lana, bitte. Wir müssen nicht darüber reden.«
»Nein. Ich will, dass du es weiÃt.« Sie musste diese Last endlich loswerden. Ihr Leben war so schon schwer genug, ohne sich auch noch damit herumzuquälen. »Ich habe mich durch die Reha geschlagen, um eines Tages auf dich zugehen zu können und dir zu sagen, wie sehr ich dich dafür hasse, dass du diesen Kerlen erlaubt hast, mich zu foltern. Ich habe ununterbrochen daran gedacht, wie schockiert du sein würdest. Wie erniedrigt und schuldig du dich fühlen würdest. An manchen Tagen war das das Einzige, was mich
Weitere Kostenlose Bücher