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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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seines fünfzehnten Lebensjahres, wäre er aus der Muntgewalt seines Vaters entlassen worden und hätte das Heirats- und Bürgerrecht erwerben können.
    »Oh, mein Gott«, murmelte er und versuchte, nicht an die kleinen, niederträchtig wirkenden Augen und den harten Mund des Mannes zu denken, an den sein eigen Fleisch und Blut ihn verkauft hatte. »Die Sklaverei ist etwas Naturgegebenes«, hatte sein Vater platt verkündet, als Bertram ihn mit entsetzt aufgerissenem Mund angestarrt hatte. »Wenn ich dich nicht verkaufe, werden wir beide elendig verhungern«, hatte er nach einigen Sekunden der absoluten Stille hinzugefügt, bevor er seinen Sohn in eine rippenbrechende Umarmung gezogen hatte, bei der beide die Fassung verloren hatten. Da der Rest seiner Familie vor beinahe zehn Jahren dem Scharlachfieber erlegen war, hatte Bertram außer seinem Vater, der bis vor wenigen Wochen einer der angesehensten Steinmetze der Stadt gewesen war, keine lebenden Blutsverwandten – was die Trennung von seinem bisherigen Zuhause noch schwerer machte.
    »Ich konnte doch nicht wissen, dass diese eine kleine Gefälligkeit mir den Hals brechen würde«, hatte Bertrams Vater mit erstickter Stimme gestanden, als er von der Verhandlung vor den Zunftältesten berichtet hatte, in deren Verlauf der Alderman ihm das Meisterrecht entzogen hatte.
    Als er einem der weniger vermögenden Tuchhändler, der beim Sinken seines Schiffes einen beträchtlichen Teil seiner Ware in den Fluten des Mittelmeeres verloren hatte, einen Preisnachlass und Zahlungsaufschub für die an seinem Haus verrichteten Arbeiten gewährt hatte, hatte der Steinmetz gegen die strengen Zunftgesetze verstoßen, die für solcherlei Vergehen die härtesten Strafen vorsahen. Ohne Mitglied der Zunft zu sein, war es keinem Handwerker gestattet, seinen Beruf auszuüben. Nur, wenn er erneut das horrende Aufnahmegeld in die Zunftkasse entrichtete sowie ein Mahl von mehreren Gängen für alle Meister auftischte, würde ihm die Erwerbserlaubnis in Ulm ein zweites Mal erteilt werden.
    »Ihr wisst, dass wir auch bei Euch keine Ausnahme machen können«, hatte der Alderman, der als Gesamtzunftaufseher eine der höchsten Positionen im Stadtrat innehatte, dem Steinmetz laut dessen Bericht nach der Verhandlung bedauernd mitgeteilt. »Denn dann könnten wir genauso gut dem Pöbel vom Land Tür und Tor öffnen.«
    Zwar hatte Bertrams Verstand eingesehen, dass diese Maßnahmen nötig waren, um die städtischen Handwerker zu schützen. Doch sowohl sein Herz als auch seine Seele würden für immer gegen den Alderman vergiftet sein. In den verzweifelten Stunden der vergangenen Nacht war ihm klar geworden, dass es für die konservativen Zunftmitglieder von Vorteil war, einen der unbequemen Meister aus ihrer Mitte zu entfernen, da Bertrams Vater immer und immer wieder gegen die zunehmende Elitebildung protestiert und vehement die Meinung vertreten hatte, dass die zahlenmäßige Beschränkung der Meister der Zunft letztendlich zu Schaden gereichte. Mit einem freudlosen Lächeln erinnerte sich Bertram an die Tiraden, die der Steinmetz nicht müde geworden war zu halten. »Wenn wir die Gesellen davon abhalten, in den Rang eines Meisters aufzusteigen«, hatte er gewettert, »dann werden eines Tages nur noch alte, eingefahrene Ideen kursieren, und der Fortschritt kommt zum Stillstand.« Nun, dachte Bertram bitter, mindestens ein Geselle war nach dem Ausschluss des Steinmetzen in den heiß begehrten Rang eines Meisters erhoben worden. Vermutlich unter der Bedingung, den Zunftältesten nach dem Mund zu reden!
    Der Vormittag war in Windeseile verflogen, und genau zur vereinbarten Nachmittagsstunde ließ ihn ein Hämmern an der Eingangstür zusammenfahren. »Komm, mein Sohn«, ertönte die belegte Stimme seines Vaters in seinem Rücken. »Es ist Zeit.«
    Mit bleischweren Gliedern griff Bertram nach dem kleinen Säckchen, stemmte sich auf die Beine und straffte die Schultern. Ohne seinem Vater in die Augen zu blicken, nickte er diesem zum Abschied zu, reckte das noch bartlose Kinn und schritt mit staksigen Schritten auf den sich drohend vor dem Türrahmen abzeichnenden Glockengießer zu, der jede seiner Bewegungen mit einem kühlen Blick verfolgte.
    »Er macht wirklich nicht besonders viel her«, stellte dieser abfällig an Bertrams Vater gewandt fest, nestelte an seinem Gürtel und warf ein klimperndes Beutelchen vor dem Steinmetz auf den Boden.
    »Behandelt ihn gut«, hörte Bertram seinen Vater erstickt

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